Das Leben macht Geschenke, die es als Problem verpackt
zu nehmen. Wir besitzen nicht nur für körperliche, sondern auch für seelische Verletzungen enorme Schutzmechanismen. So können Menschen selbst Traumata wie Missbrauch, Krieg, Folter und Verwahrlosung ohne anhaltende Beeinträchtigung überstehen. Und dabei sind es, wenn man genau hinschaut, meist nicht reines Glück oder Zufall, die die Menschen retten, sondern eine Reihe anderer Faktoren. Resilienz hängt eng mit den seelischen Ressourcen eines Menschen zusammen. Dazu gehören ein stabiles Selbstwertgefühl und die innere Haltung, seines eigenen Glückes Schmied zu sein und sein Leben aktiv beeinflussen zu können.
Zudem gehört ein gesundes Bauchgefühl dazu, das einem als innerer Kompass dient. Nicht zuletzt sind auch intellektuelle Fähigkeiten gefragt sowie die Möglichkeit, sich Ressourcen zur Befriedigung seiner spirituellen und auch seiner Vitalbedürfnisse zu schaffen. Dazu gehören Nahrung und ein Dach über dem Kopf, aber auch Menschen, die einen unterstützen und einem guttun. Einer der berühmtesten Menschen, der sich durch ein besonders großes Potenzial an Resilienz auszeichnet, ist Nelson Mandela, der 27 Jahre in Haft zubrachte, einen Teil davon sogar in Isolationshaft. Bei seiner Freilassung wirkte er stabil und keineswegs gebrochen und konnte bald die Führung seines Landes übernehmen.
In der Krise wachsen
Menschen, die sich aktiv mit Schwierigkeiten auseinandersetzen und dabei erfahren, dass sie das aus eigener Kraft oder mit Unterstützung von außen schaffen, wachsen an der Krise und erwerben so Resilienz. Psychologen nennen dies »posttraumatic growth« oder »posttraumatische Reifung«. Auf Grundlage dieser Fähigkeiten wird man leichter mit den Widrigkeiten des Alltags fertig und lässt sich nicht so leicht umwerfen. Es ist eine der wunderbarsten Fähigkeiten des Menschen, lebenslang innerlich wachsen zu können. Das führt zu einem Reifeprozess, der auf lange Sicht zu einer tieferen Menschlichkeit, Herzlichkeit, Güte und sogar Weisheit führen kann.
Aus meiner Sicht und Erfahrung ist es angesichts eines Problems oder einer Krise wichtig, dass man es sich selbst wert ist, sein Leben zu ändern. Man tut weder seinem Partner, seiner Familie noch seinen Arbeitskollegen und anderen Menschen in seinem Umfeld und am wenigsten sich selbst etwas Gutes, wenn man wie ein Kaninchen vor der Schlange in einer unangenehmen Situation verharrt oder den Kopf in den Sand steckt.
Sobald ein Problem, egal in welcher Gestalt, auftaucht, ist dies immer ein Appell an die eigene Freiheit und die Verantwortlichkeit für sein Leben. Und diese Verantwortlichkeit bedeutet zuallererst, noch vor dem eigentlichen Handeln, sich etwas bewusst zu machen: Kein anderer ist in der Lage, Probleme für einen zu lösen. Stattdessen geht es angesichts von Krisen darum, Beweglichkeit zu entwickeln und zunächst einmal einen anderen Blickwinkel einzunehmen: Wenn es so nicht weitergeht, dann geht es eben anders, dann wartet vielleicht etwas anderes auf mich. Vielleicht etwas, das meinen innersten Bedürfnissen nach Entwicklung viel mehr entspricht und was mir letztendlich viel mehr Zufriedenheit und Glück bringt.
Mut zur Veränderung
Lernt man, angesichts eines Problems oder einer Schwierigkeit über den Tellerrand hinauszuschauen und so seinen Horizont zu erweitern, so heißt das nicht, dass sich das Leben von einem auf den anderen Tag komplett ändern wird. Aber man selbst ändert sich dabei. Dazu ist es zunächst wichtig, das eigene Handlungsspektrum zu vergrößern. Das geschieht schon in dem Moment, wenn man seine üblichen Denkprozesse hinterfragt, Zweifel zulässt und seine sogenannte innere Stimme ernst nimmt. Natürlich kann einem das Bauchgefühl auch einmal einen Streich spielen, weil es ebenfalls durch Erfahrungen und Muster geprägt ist. Doch wenn man seine Haltung immer wieder kritisch überprüft und sich anschließend ein gutes Gefühl bei der Entscheidung einstellt, die man getroffen hat, liegt man kaum falsch.
Jedes Problem ist deshalb ein Geschenk, weil es uns zeigt,
dass wir Gewohnheiten hinterfragen dürfen,
dass wir nicht nach unseren seelischen oder körperlichen Bedürfnissen gelebt haben,
dass das Leben und insbesondere die kleinen Dinge kostbar sind,
dass man sich selbst und seine Bedürfnisse ernst nehmen darf, ohne sich immer allzu wichtig zu nehmen,
dass der Sinn des Lebens oft ein anderer ist, als man bisher glaubte,
dass man auch andere Menschen und deren Bedürfnisse akzeptieren
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