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Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen

Titel: Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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offenen Mündern durch die entschwundenen Gänge, drehten sich dort ratlos im Kreise, wo einst die Schlosshalle gewesen war. Als sie Lír, Molly und Schmendrick erblickten, kamen sie lachend auf die drei zugelaufen. Vor Lír fielen sie auf die Knie und riefen vereint: »Lang lebe der König! Lang lebe König Lír!«
    Lír errötete und versuchte, sie emporzuziehen. »Das sollt ihr nicht, bitte nicht«, brummte er. »Wer seid ihr?« Er blickte verwundert von einem Gesicht zum nächsten. »Dich kenne ich doch, und dich auch! Aber wie ist das möglich?«
    »Es ist wahr, Eure Majestät«, sagte glücklich der erste der jungen Männer. »Wir sind wirklich König Haggards Krieger, dieselben, die ihm durch so viele kalte und elende Jahre hindurch gedient haben. Nachdem du in der Uhr verschwunden warst, sind wir aus dem Schloss geflohen, denn der Rote Stier brüllte, dass alle Türme bebten. Wir fürchteten uns sehr, denn wir wussten, dass der Fluch sich endlich erfüllte.«
    »Eine riesige Welle verschlang das Schloss«, sagte der zweite Mann, »genau wie die Hexe es vorhergesagt hat. Ich sah sie so langsam wie Schnee über den Rand des Kliffs laufen, und weshalb sie uns nicht mitriss, das kann ich nicht sagen.«
    »Die Welle teilte sich und ging um uns herum«, sagte ein anderer. »Das habe ich noch nie eine Welle tun sehen. Es war ein seltsames Wasser, eine Geisterwelle, sie brodelte in einem Regenbogenglanz, und einen Augenblick lang kam es mir so vor…« Er rieb sich die Augen und zuckte mit den Schultern, lächelte hilflos. »Ich kann es nicht erklären. Es war wie ein Traum.«
    »Aber was ist denn mit euch geschehen?«, wollte Lír wissen. »Ihr seid alte Männer gewesen, als ich zur Welt kam, und jetzt seid ihr jünger als ich! Was für ein Wunder ist das?«
    Die drei, die schon gesprochen hatten, kicherten nur und sahen sehr verlegen aus, doch der vierte erwiderte: »Es ist das Wunder, dass wir wirklich meinten, was wir sagten. Wir haben einmal zur Lady Amalthea gesagt, wenn sie es wünschte, würden wir wieder jung, und wir müssen die Wahrheit gesagt haben. Wo ist sie? Wir werden ihr zu Hilfe kommen, und wenn wir uns mit dem Roten Stier persönlich anlegen müssten!«
    König Lír sagte: »Sie ist fort. Sucht mein Pferd und sattelt es. Auf!« Seine Stimme klang hart und heftig, die vier Krieger stürzten davon, um ihrem neuen Gebieter zu gehorchen.
    Doch Schmendrick, der hinter ihm stand, sagte ruhig: »Eure Majestät, es darf nicht sein. Du darfst ihr nicht folgen.«
    Der König drehte sich um, und er sah aus wie Haggard. »Zauberer, sie gehört mir!« Nach einem Moment des Schweigens fuhr er in ruhigerem Tone fort, beinahe bittend: »Zwei Mal hat sie mich vom Tode erweckt, was wäre ich da ohne sie – tot zum dritten Mal?« Er packte Schmendrick an den Handgelenken, sein Griff war stark genug, um Knochen in Staub zu verwandeln, doch der Zauberer regte sich nicht. »Ich bin nicht König Haggard«, sagte Lír. »Ich trage kein Verlangen, sie zu fangen und zu besitzen, ich will mein Leben damit verbringen, ihr zu folgen, Meilen und Jahre hinter ihr, ohne sie vielleicht je zu sehen, aber zufrieden. Ein Held hat ein Recht auf ein gutes Ende, wenn es einmal greifbar nahe vor ihm liegt!«
    Doch Schmendrick erwiderte: »Dies ist nicht das Ende, weder für dich noch für das Einhorn. Du bist der König eines wüsten Landes, in dem es nie einen anderen Herrscher gegeben hat als die Angst. Deine wirkliche Aufgabe hat eben erst begonnen. Mag sein, du wirst während deines ganzen Lebens nicht erfahren, ob sie dir gelingt, es sei denn, du versagtest. Was sie angeht, so hat ihre Geschichte kein Ende, weder ein gutes noch ein böses. Sie kann nie jemandem gehören, der sterblich genug ist, sie zu begehren.«
    Dann tat er etwas sehr Seltsames, er legte seine Arme um den jungen König und hielt ihn einige Zeit. »Sei zufrieden, mein Gebieter«, sagte er leise. »Kein Mensch hat jemals mehr Gunst von ihr erfahren als du, und kein anderer wird jemals mit ihrem Gedenken gesegnet sein. Du hast sie geliebt und du hast ihr gedient. Sei zufrieden und sei König.«
    »Aber das will ich doch gar nicht!«, schrie Lír. Der Zauberer gab keine Antwort, sondern sah ihn nur an. Blaue Augen starrten in grüne, ein hager und herrisch gewordenes Gesicht blickte in eines, das weder so schön war noch so kühn. Der König fing zu blinzeln und schielen an, als schaue er in die Sonne, und nach kurzer Zeit schlug er die Augen nieder. »So sei es«,

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