Das letzte Gericht - was berühmte Menschen zum Schluss vespeist haben
Vogel nicht einmal auf der nationalen Liste für bedrohte Tiere auf. Zu groà war stets der Appetit des groÃen Staatsmannes Mitterrand auf das zarte Fleisch des grau-grünen Vogels. Seit Jahrhunderten stehen Ortolane auf der Speisekarte der Mächtigen, Reichen und Berühmten. Kaiser und Könige haben sie verspeist, König Ludwig XIV . schob sie sich genauso selbstverständlich in den Mund wie Papst Leo X. und Zar Alexander III . Bevor sie jedoch in den Mündern gekrönter Häupter landeten, wurden die begehrten Vögel gemästet. Daran hat sich bis ins Jahr 1995 nichts geändert. Ãber Wochen müssen die lebend gefangenen Tiere rund um die Uhr fressen, bis sie das Zweibis Dreifache ihres ursprünglichen Körpergewichts von rund 20 Gramm erreicht haben. Erst dann erlöst man sie. Mit den Köpfen voran ertränkt der Mäster sie langsam in Armagnac, damit sie kurz vor ihrem Tod noch einige Tropfen des Weinbrandes mit ihren Schnäbeln aufsaugen. Ihr Fleisch soll dadurch noch zarter und delikater werden. Für Gourmets aus aller Welt ist der Geschmack von Ortolanen mit keinem anderen Geschmack vergleichbar, die Aromen sind absolut einzigartig.
In Mitterrands Landhaus nahe der spanischen Grenze werden die kleinen Vögel am Silvesterabend auf traditionelle Weise zubereitet. Es genügt eine glühend heiÃe Pfanne, in der die gerupften Vögel rund vier Minuten gebraten werden. Bereits nach kurzer Zeit platzt die Haut der Vögel auf. Blut und Körperfett treten aus den toten Körpern aus und mischen sich zu einer dunklen Sauce. HeiÃe Dampfwolken steigen noch immer von den gerösteten Vögeln auf, als sie in Mitterrands Speisezimmer serviert werden. Der todkranke Ex-Präsident ist in diesem Moment wieder hellwach, seine Augen leuchten, als die Tiere aufgetischt werden. Mühsam erhebt er sich von der Chaiselongue und nimmt inmitten seiner Abschiedsgesellschaft platz. Der bizarre Leichenschmaus kann beginnen. Nach alter Tradition werden die Vögel komplett mit Kopf, Knochen, Innereien und FüÃen verzehrt. Und sie müssen in einem Stück gegessen werden, nur so verteilen sich alle Geschmacksnuancen perfekt im Mund und bescheren den ersehnten kulinarischen Hochgenuss. Der todkranke Ex-Präsident beherrscht das Ritual. Er schiebt sich seinen Vogel als erster in den Mund. AnschlieÃend senkt er sein Gesicht über den Teller und legt sich eine groÃe Stoffserviette über den Kopf. Die Serviette dient dazu, alle flüchtigen Aromen unter Verschluss zu halten. Kein einziger Duft des gebratenen Vogels soll verloren gehen. AuÃerdem muss der Ortolan wegen seiner enormen Hitze im Mund wie ein Bonbon hin- und herjongliert werden. Aus Höflichkeit gegenüber den Tischnachbarn soll die Serviette diesen unschönen Anblick verhindern.
Nachdem Mitterrand den Anfang gemacht hat, tauchen auch seine engsten Freunde wie nach einem geheimen Kommando unter ihre Servietten. Mit verdeckten Köpfen gibt sich die Silvestergesellschaft minutenlang dem stillen kulinarischen Genuss hin. Als am Ende des seltsamen Schauspiels noch ein Vogel übrig ist, taucht François Mitterrand ein zweites Mal unter seine Serviette. Der zweite Ortolan ist das Letzte, was der 79-Jährige in seinem Leben verspeist. Acht Tage später erliegt Mitterrand seinem Krebsleiden, ohne zuvor noch etwas anderes zu sich genommen zu haben.
Vier Jahre nach seinem Tod erlässt die französische Regierung ein Gesetz, dass die Jagd und den Verzehr von Ortolanen unter harte Strafe stellt. Der kleine Singvogel wird in die nationale Schutzliste der vom aussterbenden bedrohten Tiere Frankreichs aufgenommen. Dennoch ist der Appetit auf Ortolane unter den Mächtigen, Reichen und Berühmten weiter ungebremst. Mit guten Beziehungen lässt sich in den Hinterzimmern französischer Edelrestaurants noch immer unter Stoffservietten abtauchen und François Mitterrands letztes Gericht genieÃen.
Menü
»Le Dernier Président«
Vorspeise:
Gänseleberpastete
Zutaten: 2 groÃe Gänselebern, ½ kg mageres Schweinefleisch, ½ kg Schweinefett, 300 g Trüffel, 200 g Sahne, 4 cl Cognac, Salz, Pfeffer, Thymian
Zubereitung: Die Gänselebern putzen und 12 Stunden in Milch und Cognac einlegen. AnschlieÃend herausnehmen und in Stücke schneiden. Die Trüffel säubern, in Stifte schneiden und in die Gänseleberstücke stecken. Dann mit Salz und Pfeffer
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