Das letzte Hemd
fragte ihn Rosenmair dann auch. »Wohnen
Sie hier?«
Der Mann nickte und deutete hinter sich. »Ja, wir wohnen dahinten,
drei Häuser weiter. Sehen Sie sich das Haus gleich an, mit ihr?« Er deutete auf
das Maklerschild.
Rosenmair hob abwehrend die Hände. »Nein, ich wollte mir erst mal
nur die Gegend ansehen. Hübsch hier.« Er sah um sich. »Ist hier noch mehr zu
verkaufen? Das Haus da drüben sieht ja auch nicht gerade bewohnt aus.« Er
zeigte auf die graubraune Hässlichkeit gegenüber.
Der Mann schüttelte lachend den Kopf. »Nein, das ist nicht zu
verkaufen, da wohnen welche. Aber die sind gerade im längeren Urlaub, auf
Staatskosten, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Rosenmair nickte. In diesem Moment rief eine Frauenstimme etwas
Unverständliches. Der Mann rollte mit den Augen und antwortete laut: »Ich bin
hier, Schatz, ich komme!« Er hob grüßend die Hand, drehte sich um und
verschwand in seinem Haus.
Rosenmair wartete, bis der Mann ganz sicher weg war, dann griff er
nach dem Maklerschild, zog es aus dem Vorgarten der Villa Bullerbü, was
erstaunlich leicht ging, und rammte es auf der anderen Seite vor der Villa
Stammheim, wie er sie spontan taufte, in den Boden. Er nahm sein Mobiltelefon
und wählte Ann-Britts Nummer. Sie meldete sich sofort.
»Ann-Britt, ich kann doch nicht mitkommen zur Hausbesichtigung, mein
Nachbar Becker, also, ich hatte ihm versprochen, auf seinen Hund aufzupassen …«
»Seit wann hat der denn einen Hund?« Man hörte deutlich die
Enttäuschung in Ann-Britts Stimme. »Okay, dann fahr ich eben allein. Ich komm
dann danach bei dir vorbei. Und dem Hund.« Sie legte auf.
***
Neuer Kunde, gut und schön – nur wenn der so schwer zu finden
war? Aber es half ja alles nichts, Larry kurvte weiter durch die Straßen im HQ , vorbei am »Marlborough Club« und dem »Globe
Cinema«. Die Namen der Straßen waren beeindruckender als ihr Aussehen, die
Queens Avenue konnte man nicht wirklich königlich nennen, sie war nur einfach
breiter als zum Beispiel die Brock Road, die er gerade passierte. Er fuhr an
einer Feuerwehrgarage vorbei, die aussah, als habe man sie eins zu eins aus
einer Modelleisenbahn gehoben und auf Originalgröße gebracht. Er hätte sich den
Namen der Straße ja auch aufgeschrieben, aber sein Auftraggeber – ein Major Bedford – hatte nur gemeint, wenn er an der Feuerwache vor dem Band Walk vorbei sei,
käme zur Linken eine ganze Batterie von Hinweisschildern, und danach sei der
Weg zum MMCR , dem »Military Media Centre
Rheindahlen«, dann ausgeschildert.
Tatsächlich entdeckte er die angekündigte Armada von
Richtungsweisern, schmale weiße Rechtecke mit schwarzer Schrift und roten
Pfeilen am Ende. Und wirklich, zwischen »Italian National Support Element«,
»Education Centre Annex« und »Dutch Army Shop« war das schlichte Schild mit den
Buchstaben » MMCR « zu erkennen. Er bog ab.
Larry fragte sich, was sich wohl hinter den hochtrabenden
Bezeichnungen verbarg. Unter »Detention Rooms« konnte er sich ja noch etwas
vorstellen, aber »Support Element« und »Centre Annex«? Im nächsten Moment
erspähte er das nächste Hinweisschild, gerade noch rechtzeitig konnte er den
Wagen in die schmale Nebenstraße steuern, die Reifen quietschten kurz. Das
Schild mit den verwitterten Buchstaben war einfach hinter die Gitter eines
vernagelten Eckfensters einer augenscheinlich verlassenen Baracke geklemmt
worden. Larry wusste, dass bald ganz Schluss war im HQ ,
die restlichen Truppen wurden abgezogen und auf andere Standorte verteilt. Was
mit dem riesigen Gelände passieren würde, war noch völlig offen. Ideen hatte es
genug gegeben, seit Jahren, wenn auch nicht wirklich praktikable. Vom
Freizeitpark bis zum Filmstudio sollte schon alles Mögliche in Rheindahlen
entstehen. An manchen Spekulationen war Larry nicht ganz unbeteiligt gewesen,
ganz aktuell hatte er da eine interessante Sache an Land gezogen, die sehr
vielversprechend zu sein schien. Deshalb hatte er auch sofort zugesagt, als der
britische Major ihm ein Treffen im HQ vorgeschlagen hatte – da konnte er sich nebenbei noch ein bisschen auf dem
Gelände umsehen.
Jetzt kam der Wagen rumpelnd zum Stehen. Vor ihm versperrte ein
Stacheldrahtzaun den Weg. Auf der rechten Seite stand ein zweistöckiges
Gebäude, das ähnlich verlassen aussah wie alle Häuser in diesem Teil des HQ . Aber an der Eingangstür klebte ein weißes Schild
mit der schwarzen Aufschrift » MMCR – Military
Media Centre Rheindahlen« und
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