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Das letzte Hemd

Das letzte Hemd

Titel: Das letzte Hemd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Puettjer , Volker Bleeck
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Nachricht war von Ann-Britt, die ihn wissen ließ, sie wolle
sich nachher ein Haus in Waldniel ansehen, nachdem sie bei ihrem Vater
vorbeigeschaut habe. Er drückte auf »Antworten« und wählte einen der
Standardtexte, die er für die meisten Gelegenheiten vorbereitet hatte. Noch
eine kurze Bestätigung, und schon machte sich der Textbaustein »Schön, Schatz,
bis später, xoxo Phil« auf den Weg, um via Satelliten und Sendemasten
schlussendlich auf Ann-Britts Mobiltelefon zu landen.
    Er hatte jetzt wirklich keine Zeit, sich auch noch um so etwas zu
kümmern. Das mit dem Haus war sowieso Ann-Britts Sache. Wenn es auf der
Parteikarriereleiter nun für ihn weiter nach oben ging, würde er sich
irgendwann nicht nur Gedanken über ein repräsentativeres Haus, sondern vielleicht
auch über eine repräsentativere Ehefrau machen müssen, auch wenn er sich diese
Erwägung in der nächsten Sekunde selbst verbat. Doch Beispiele hatte es in der
Politik ja genug gegeben.
    Er scrollte im Menü seines Telefons herunter, bis er die Nummer des
Parteivorsitzenden gefunden hatte. Die Mobilbox sprang gleich an,
wahrscheinlich hatte er das Gerät ausgeschaltet, wie so oft. Oder sein Akku war
wieder mal leer, das war schon ein running gag in der
Partei. Philipp blickte grimmig auf sein Telefon. Dieser Mann war auf keinen
Fall geeignet, die Partei in die Zukunft zu führen, wenn er nicht mal die
modernen Kommunikationsmittel vernünftig beherrschte. Auch ihn würde man sanft
aus dem Weg räumen müssen.
    Philipp ging seine Mails durch, irgendwo hatte er doch gelesen, in
welchem Krankenhaus Strüssendorf lag. Die potenzielle Wirkung der angestrebten
Zeitungsmeldung ließ seine Bedenken gering erscheinen. »Besorgter Kollege
erkundigt sich nach dem Befinden des Komapatienten«, das klang doch wirklich
ganz gut. Er würde das gleich mal über seine guten Verbindungen zur Lokalpresse
lancieren. War doch nicht verkehrt, wenn man mit einem Manager der mittleren
Führungsebene eines großen Verlagshauses jahrelang Tennis gespielt hatte.
    ***
    Rosenmair rief Ann-Britt genau in dem Moment an, als sie die
Nachricht an Philipp abschickte. Kurz zuvor hatte er sich noch felsenfest
vorgenommen, im Laufe des Telefonats dezent und diplomatisch auf das Thema
Hauskauf – und vielleicht auch Nachwuchs – kommen zu wollen, doch seine
Strategie war in dem Moment hinfällig, als Ann-Britt ihm erzählte, sie wolle
gleich bei ihm vorbeikommen, weil sie sich ein Haus in der Nähe ansehe.
Rosenmair polterte ungebremst los. »Wie, in der Nähe? In Waldniel? Wieso das denn?«
    »Weil es praktisch wäre. Außerdem …«
    »Und wieso erzählt mir davon keiner was?«, unterbrach Rosenmair sie.
    Jetzt gab Ann-Britt ein trockenes Lachen von sich. »Wir haben dir
von der Idee auf der Hochzeit erzählt, du hast nur wahrscheinlich mal wieder
nicht zugehört.«
    Rosenmair schloss die Augen. Da könnte sie richtig liegen. Aber
etwas so Entscheidendes hätte er doch bestimmt nicht überhört, oder? Er hatte
es so verstanden, dass sie sich allenfalls im benachbarten Mönchengladbach nach
Häusern umsehen wollten. In seiner Erinnerung ging er noch einmal die Gespräche
auf der Hochzeitsfeier durch. So viele waren das nicht gewesen, da Rosenmair
etliche Versuche von irgendwelchen Verwandten, mit ihm ins Gespräch zu kommen,
mit einem unfreundlichen Grunzen und demonstrativem Wegdrehen des Körpers vereitelt
hatte.
    »Max, wir haben dir von der Idee erzählt, das weiß ich ganz
bestimmt. Du hast noch irgendwas vom Venekotensee erzählt.«
    Jetzt erinnerte sich Rosenmair. Er hatte gedacht, es wäre um
Ferienhäuser gegangen. So konnte man sich irren. Wie sollte er sie jetzt bloß
wieder von dieser Idee abbringen? Er wusste, dass in und um Waldniel viele
Häuser zu verkaufen waren, und leider auch sehr schöne, allein die Preise waren
möglicherweise ein Hindernis, denn die stiegen kontinuierlich, da alle Welt
seit der Finanzkrise darauf aus war, in Gold oder Grundbesitz zu investieren.
Er versuchte es mit Vernunft. »Ihr wollt also tatsächlich hierherziehen? Das
ist aber doch ganz schön weit weg von deinem Job, hast du darüber mal
nachgedacht?«
    Ann-Britt beeindruckte das nicht. »Es ist auch nicht viel weiter als
von Mönchengladbach aus, und für Philipp wäre es durchaus praktisch.« Bevor
Rosenmair einhaken konnte, erklärte sie kurz angebunden, Philipp habe ihr
gerade auf ihre SMS geantwortet – »wahrscheinlich
etwas Wichtiges« –, und sie werde am Nachmittag bei

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