Das letzte Hemd
Hesse, Renate Wirth
EULENBLUES
Niederrhein Krimi
ISBN 978-3-86358-058-2
»Renate Wirth und Thomas Hesse, das Krimiduo von beiden Seiten des
Rheins, weiß, wie man im Team Spannung erzeugt.«
NRZ
»Mit farbig ausgemalten Szenen, Humor und schrägen Späßen vermag das
Duo zu punkten.«
Rheinische Post
Leseprobe zu Thomas Hesse und Renate Wirth,
EULENBLUES
:
Prolog
Er schaute nicht hin, er wusste intuitiv, dass die Taxifahrerin ihn mit
wachsamen Augen im Rückspiegel beobachtete. Seit er sich vor dem
Ankunftsbereich des Flughafens in den ersten Wagen in der Reihe gesetzt hatte,
prallten ihre Versuche der höflichen, oberflächlichen Kommunikation
erbarmungslos an ihm ab. Sie blieb hartnäckig, er hingegen sprach nicht viel,
erst recht nicht mit einer wildfremden, dahergelaufenen Angestellten einer
Berufssparte, die seiner Ansicht nach nur darauf aus war, jeden Kunden zu
bescheißen. Trau, schau, wem, hatte sein Vater immer gesagt und dabei breitflächig
und auf lange Sicht Misstrauen gesät. Söhne lernen von ihren Vätern. Fahren
soll sie, dachte der Mann, fair abrechnen und ihn ohne Umwege vom Airport Niederrhein
in Weeze aus nach Wesel bringen.
Seine Maschine aus Innsbruck war pünktlich gelandet, er hatte erleichtert
aufgeatmet, als sein Koffer unter den ersten Gepäckstücken auf dem Laufband in
Sicht kam, und wollte nur noch weg. Er hasste die kleinen regionalen Flughäfen,
die Mischung aus Asphalt, Gummiabrieb und Kerosin, die auf den Rollfeldern in
der Luft lag, die man stets zu Fuß überqueren musste. Es gab aber keine
schnellere Verbindung in die Berge. Mehrmals im Jahr zog es ihn dorthin, um die
Gipfel zu begehen, reines Quellwasser durch die Finger rinnen zu lassen, um zur
Ruhe zu kommen. Niemand quatschte ihn dort an, manchmal begegnete ihm stundenlang
keine einzige Menschenseele. Stille, Abstand, stets weiteten sich seine Sinne
angesichts eines Bergpanoramas. Dort oben war er Gott.
Ob er geschäftlich dort gewesen sei oder zur Erholung, wollte die
Fahrerin bereits wissen, bevor sie das weitläufige Flughafengelände verlassen
hatten. Sie liebe die Berge ja auch, brauche keine exotischen Reiseziele, ihr
reiche der Schwarzwald oder das Allgäu. Er schwieg.
Knapp vor der Auffahrt zur A 57 bei Sonsbeck schien sie verstanden zu
haben, dass dieser wortkarge Fahrgast offenbar nicht zu knacken war, und
seitdem musterte sie ihn in regelmäßigen Abständen im Rückspiegel, während die
niederrheinische Tiefebene an ihnen vorbeizufliegen schien.
Stocksteif saß er da, umklammerte seine abgegriffene Aktentasche. Eine
unauffällige Erscheinung, stellte die Taxifahrerin fest, ein grauer Haarkranz
umgab eine gebräunte Glatze, seine Augen blieben hinter einer verspiegelten
Sonnenbrille verborgen. Einzig die naturfarbenen Baumwollhandschuhe, die seine
Hände bedeckten, wirkten befremdlich. Ihr blieb nicht verborgen, dass er mit
leicht gerümpfter Nase ständig seine direkte Umgebung taxierte. Er schien den
Innenraum des in die Jahre gekommenen Benz genau zu betrachten.
Da sei nichts drin, rief die Frau unvermittelt von der Fahrerseite aus
nach hinten, wenn er vorhabe, sich über die Sauberkeit zu beschweren, dann sei
er bei ihr an der falschen Adresse. Der Wagen sei in Ordnung, ihre Firma lege
größten Wert darauf, es gebe hier nichts zu bemängeln. Er holte tief Luft,
neigte den Kopf zum Fenster und ließ sich dazu herab, direkt zu antworten.
»Wenn Sie auch nur die geringste Ahnung davon hätten, wie viele
Erregerkeime und Bakterien sich auf Griffen, Geldmünzen und unverpackten
Lebensmitteln befinden, wären Sie nicht so leichtfertig mit Ihren Bemerkungen.
Um diesen Innenraum für drei Minuten steril zu bekommen, müssten Sie ihn
komplett mit Wasser auffüllen und zehn Minuten abkochen. Hier wird doch immer
nur oberflächlich durchgewienert, und die Gerüche von Putzmitteln und der
dämlichen Tanne an Ihrem Rückspiegel sollen dem Fahrgast Sauberkeit und Frische
suggerieren. Sparen Sie sich für den Rest der Strecke Ihre Weisheiten, machen
Sie einfach nur Ihren Job und fahren Sie mich ohne Umwege nach Wesel.«
Die strenge Kälte in seiner Stimme ließ die Frau am Steuer frösteln,
während sie beobachtete, wie er an seinen Handschuhen nestelte.
In den Bergen ging es seinen Händen prima; sobald er die flache Rheinebene
erreicht hatte, begann sein altes Problem, ihn zu malträtieren. Seine
Handflächen
Weitere Kostenlose Bücher