Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
nach so einem blutigen Mord ein Porträt des Ermordeten und seiner Küche herauszubringen.«
»Und geschmacklos wollen wir doch nicht sein. Hier ist schließlich die Rede von einem Kochbuch«, sagte Frederik Krøger und zeigte seine Zähne.
»Also echt«, murmelte Samir Zeta, ein dunkelhäutiger junger Mann, der drei Wochen zuvor im Vertrieb angefangen hatte.
Krøger, der untersetzte Verlagsleiter mit kahlem Schädel, den er unter auf bewundernswerte Weise arrangierten Haarsträhnen zu verbergen suchte, machte eine bedauernde Handbewegung.
»Wenn wir für einen Moment zurückgehen und uns die eigentliche Idee ansehen«, fuhr Idun Franck fort, »zeigt sich doch, daß wir definitiv auf einem guten Weg waren. Zu einer Weiterentwicklung des Kochbuchtrends sozusagen. Einer Art kulinarischer Biographie. Einer Mischung aus Kochbuch und persönlichem Porträt. Da Brede Ziegler seit mehreren Jahren der beste …«
»Auf jeden Fall der profilierteste«, fiel Samir Zeta ihr ins Wort.
»… der profilierteste norwegische Koch war, sind wir bei diesem Projekt natürlich auf ihn gekommen. Und wir waren mit der Sache schon ziemlich weit.«
»Wie weit?«
Idun Franck wußte sehr gut, was Frederik Krøger wirklich interessierte. Nämlich, wieviel das Projekt bereits gekostet hatte. Wieviel Geld der Verlag für ein Projekt, das bestenfalls für eine ganze Weile auf Eis gelegt werden mußte, schon aus dem Fenster geworfen hatte.
»Die allermeisten Bilder haben wir schon. Die Rezepte auch. Was Brede Zieglers Leben und Person angeht, ist allerdings noch eine Menge Arbeit zu leisten. Er wollte sich zunächst auf die Rezepte konzentrieren; die Anekdoten und Betrachtungen, die mit den einzelnen Gerichten verknüpft sind, wollten wir uns später vornehmen. Wir haben natürlich viele Gespräche geführt, und ich habe … Notizen, zwei Tonbänder und so weiter. Aber … so, wie ich das heute sehe … kannst du mir mal die Kanne geben?«
Sie versuchte, Kaffee in eine henkellose Tasse mit Teletubbies-Bild zu gießen. Die Hand zitterte, vielleicht war die Thermoskanne einfach zu schwer. Kaffee floß über die Tischplatte. Jemand reichte ihr ein Stück unbeschriebenes Papier. Als sie die Kaffeelache damit bedeckte, quoll die braune Flüssigkeit an den Seiten hervor und tropfte über die Tischkante auf ihr Hosenbein.
»Also so was … Wir könnten natürlich aus dem vorhandenen Material ein ganz normales Kochbuch machen. Eins unter vielen. Es sind wirklich schöne Bilder. Und tolle Rezepte. Aber wollen wir das? Meine Antwort lautet …«
»Nein«, sagte Samir Zeta, der sich schon ein bißchen zu gut eingelebt hatte.
Frederik Krøger runzelte die Stirn und hüstelte.
»Bitte, schreib das alles auf, Idun. Und dann werde ich … mit Zahlen und allem. Danach sehen wir weiter. In Ordnung?«
Niemand wartete die Antwort ab. Stuhlbeine schrammten über den Boden, und eilig verließen die Leute den Konferenzraum. Nur Idun blieb sitzen und starrte auf das Schwarzweißfoto eines Kabeljaukopfes.
»Hab dich gestern im Kino gesehen«, hörte sie jemanden sagen und schaute auf.
»Was?«
Samir Zeta lächelte und fuhr mit der Hand über den Türrahmen. »Du hattest es eilig. Was sagst du?«
»Was ich sage?«
»Über den Film. Shakespeare in love!«
Idun hob die Tasse zum Mund und schluckte.
»Ach. Der Film. Hat mir gefallen.«
»Für mich war’s ein wenig zuviel Theater. Film sollte Film sein, finde ich. Auch wenn sie Kostüme aus dem 16. Jahrhundert tragen, müssen sie doch nicht so reden.«
Idun Franck stellte die Teletubby-Tasse auf den Tisch, stand auf und wischte vergeblich an dem dunklen Flecken auf ihrem Oberschenkel herum. Dann schaute sie auf, lächelte kurz und fegte Papier und Fotos zusammen, ohne auf den Kaffee zu achten, der zwei große Farbbilder von Fenchel und Lauchzwiebeln zusammenkleben ließ.
»Mir hat der Film sehr gut gefallen«, sagte sie. »Er war … warm. Liebevoll. Bunt.«
»Romantisch«, kicherte Samir. »Du bist eine hoffnungslose Romantikerin, Idun.«
»Bin ich überhaupt nicht«, erwiderte Idun Franck und schloß ruhig die Tür hinter sich. »Obwohl mir das in meinem Alter auf jeden Fall zustünde.«
4
Billy T. war fasziniert. Er hielt sein Glas ins Licht und betrachtete einen rubinroten Punkt, der in zerstoßenes rosa Eis eingeschossen war, Russian Slush war bei weitem nicht das köstlichste Getränk, das er kannte. Aber es sah gut aus. Er drehte das Glas im Licht des Kronleuchters und kniff die Augen
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