Das letzte Riff
die
Anemone,
kreuzte irgendwo auf See mit der Kanalflotte. Und das war gut so, solange sich die Lage nicht geklärt hatte.
Catherine warf ihren Mantel ab und musterte sich in einem hohen Spiegel: eine schöne Frau, beneidet, bewundert, gehaßt. Aber das alles ließ sie kühl. Sie sah nur die Frau, die Bolitho liebte, lächelnd erinnerte sie sich an Alldays schlaue Bemerkung: ein Offizier des Königs. Nun ja …
Catherine war noch auf, als Bolitho abends ankam. Niemand hatte seine Ankunft angekündigt. Schnell schritt er durch die Türen auf sie zu, gab dem neuen Zimmermädchen Hut und Mantel und nahm Catherine in die Arme.
Sie küßten sich. Dann sah er sie an.
»Thomas Herrick wird vor ein Kriegsgericht gestellt!«
Sie legte ihm die Arme um den Hals. »Ich habe leider auch eine schlimme Nachricht für dich.«
Er hielt sie von sich ab, suchte in ihrem Gesicht. »Du bist doch nicht etwa krank, Kate? Was ist los?«
»Heute morgen kam eine Frau«, begann sie, »und hat eine Karte hiergelassen.« Ihre Stimme wurde brüchig. »Sie nahm wohl an, daß du hier bist.« Jetzt sah sie ihn direkt an. »Deiner Tochter geht es nicht gut. Die Botenfrau wollte nichts weiter sagen.«
Bolitho erwartete Bitterkeit oder Ablehnung in ihrem Blick, aber er fand nichts davon, nur Verständnis für etwas, das schon immer dagewesen war.
»Du wirst hingehen müssen, Richard«, sagte Catherine.
»Ganz egal, was du von deiner Frau hältst oder von dem Komplott, das sie mit meinem verstorbenen Mann ausgeheckt hat. Weder du noch ich können einfach weglaufen.«
Sie berührte seine Wange unter dem verletzten Auge und sprach so leise weiter, daß er sie kaum verstehen konnte.
»Manche nennen mich die Hure des Admirals, aber diese Leute tun mir eher leid, als daß ich sie verachte … Und wenn du mich so ansiehst wie jetzt, kann ich dich kaum gehen lassen. Jedesmal, wenn wir uns umarmen, ist es wie beim ersten Mal.« Sie hob das Kinn, und er sah eine Ader an ihrem Hals pochen. »Was sollte also zwischen uns stehen, Liebster? Uns kann nur der Tod trennen.«
Sie drehte sich um und rief nach Allday, von dem sie ahnte, daß er in der Halle wartete. »Begleite ihn zu seiner Frau, Allday, dorthin kann ich nicht mitgehen. Es würde ihn nur belasten.«
Die Kutsche war wieder vors Portal gefahren. »Warte auf mich, Kate«, sagte Bolitho. Er wirkte bedrückt, aber hellwach. Die Locke über seinem rechten Auge, jetzt fast weiß, bedeckte eine fürchterliche Narbe auf seiner Stirn. Abgesehen davon war es ein junges, mitfühlendes Gesicht. Ja, er hätte immer noch der Kapitän sein können, an den Allday sich erinnerte, einer, der Tränen über einen gefallenen Freund vergoß.
Sie schmiegte sich an ihn und berührte den alten Familiensäbel, den alle Bolithos auf den Porträts in Falmouth getragen hatten. »Wenn ich einen Wunsch frei hätte, möchte ich dir einen Sohn schenken, der eines Tages diesen Säbel tragen wird. Aber es geht nicht.«
Er hielt sie in seinen Armen und wußte, wenn sie jetzt die Fassung verlor, würde er sie nicht alleinlassen können, nie mehr.
»Du hast mal gesagt, Kate, daß ich nach Liebe dürste wie die Wüste nach Regen. Daran hat sich nichts geändert. Ich will dich, der Rest ist Vergangenheit.«
Als die Tür zufiel, sah sie in die Diele hinunter. Yovell stand unten und polierte sorgfältig seine kleine, goldgeränderte Brille.
Laut sagte Catherine, als sei sie allein: »Wenn sie ihn wieder verletzt, bringe ich sie um!«
Yovell dachte an das, was vor ihnen lag: Herricks Kriegsgerichtsverhandlung, die Gerüchte um Kapitän Keens Ehe und jetzt dies. Vielleicht war es doch ganz gut, daß sie alle zum Kap segelten.
Kalte Herzen
Selbst in der Dunkelheit erkannte Bolitho den Platz wieder, der still und exklusiv gelegen war: hohe, elegante Häuser, fast alle Fenster erleuchtet; die kahlen nassen Bäume reflektierten ihr Licht. In wenigen Wochen würden die Kindermädchen hier wieder ihre Wagen schieben oder die Kleinen beaufsichtigen und dabei über ihre Herrschaften klatschen.
Die Kutsche bremste scharf, und Bolitho sah im Licht der Lampen Allday sich nach vorn lehnen. Bolitho stieg aus und trat heftig auf, um das Blut in den Beinen wieder zirkulieren zu lassen; er ordnete seine Gedanken.
Am nächstliegenden Haus entdeckte er Stallungen. Dort glühte in einem Kübel ein Feuer, fast verdeckt von Kutschern und Knechten, die sicherlich die ganze Nacht auf die Lords und Ladies warten mußten, die späte Dinnerparties
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