Das letzte Sakrament
Schublade wieder zu. »Was analysieren die hier eigentlich?«
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Pandera und hielt ihr die Tür auf. »Aber das werden wir sicher gleich herausfinden.«
4
»Wissen wir schon etwas über den Laborleiter?«, fragte Pandera auf dem Weg zum Aufzug.
»Er heißt Doktor Jürg Plattner und ist Inhaber und Geschäftsführer des Instituts«, antwortete Tamara Aerni. »Das steht zumindest auf dem Briefpapier.« Sie fuhr sich mit den Fingern über ihre rechte Augenbraue. Erst jetzt fiel Pandera ihr Augenbrauenpiercing auf.
Die Aufzugstür öffnete sich. Der Mann, der heraustrat, trug einen knittrigen braunen Anzug und darunter ein auberginefarbenes Hemd. Seine Schuhe sahen alt aus und schlecht gepflegt. Die wenigen Haare auf seiner Halbglatze standen wirr ab in alle Richtungen.
»Doktor Jürg Plattner?«, fragte Pandera.
Der Mann nickte. »Man hat mich gebeten, zu kommen«, sagte er und knöpfte sein Jackett auf. »Man wollte mir aber nicht sagen, was hier los ist. Ich hoffe, Sie können das aufklären.« Er sah Pandera und Aerni stirnrunzelnd an.
»Ein Mitarbeiter von Ihnen ist ermordet worden«, antwortete Pandera und beobachtete Plattners Reaktion. Der zuckte regelrecht zusammen. Fast ein wenig übertrieben.
»Ein Mitarbeiter? … Ermordet?«, stammelte Plattner.
»Es sieht so aus.«
»Wer ist es?«, fragte Plattner.
»Ich denke, das können Sie uns sagen.«
Zu dritt gingen sie zurück zum Labor. Pandera öffnete die Tür.
Plattner blieb im Türrahmen stehen, blickte auf die am Boden liegende Leiche und stürzte zu ihr. »Mein Gott, Roland!«
»Nichts anfassen!«, brüllte Deckert und hielt den Laborleiter zurück. »Oder wollen Sie, dass Ihre Spuren auf der Leiche sind?«
Plattner wich einen Schritt zurück und schüttelte wie benommen den Kopf. »Ein … ein … so guter Mann«, stammelte er. Tränen traten ihm in die Augen. »Warum?«
»Ist das Roland Obrist?«, fragte Pandera.
Plattner nickte.
Pandera überlegte, wie er Plattners Reaktion einschätzen sollte. Entweder er war ein verdammter guter Schauspieler, oder er war tatsächlich betroffen vom Tod seines Mitarbeiters.
»Können wir in Ihr Büro gehen?«, fragte Pandera und führte Plattner aus dem Labor. »Wir würden Ihnen gern ein paar Fragen stellen.«
»Geben Sie mir fünf Minuten«, bat Plattner. Auf seiner Stirn standen Schweißperlen, er wirkte blass und kraftlos.
Pandera nickte. »Wir warten hier auf Sie.«
Wie in Trance schlurfte der Laborleiter über den Flur. Vor einer der Türen blieb er stehen, und es schien, als könne er nicht die Kraft aufbringen, sie zu öffnen. Schließlich schüttelte er den Kopf und ging hinein.
Tamara Aerni lief zu einem Wasserspender, füllte zwei Becher, trank einen leer und goss noch einmal nach. Den anderen gab sie Pandera.
»Danke.«
»Auf eine gute Zusammenarbeit.« Sie hielt ihren Becher hoch und prostete ihm zu.
»Hoffen wir, dass sie erfolgreich wird«, sagte Pandera ausweichend. Er fühlte sich unwohl, nicht nur wegen des Mordfalls, sondern auch wegen der neuen Kollegin. Das ging ihm alles zu schnell. Er brauchte Zeit, bis er mit jemandem warm wurde. Oder war es, weil sie am Tatort herumgelaufen war wie ein Duracell-Häschen? Trotzdem wollte er nicht unhöflich wirken.
»Sind Sie hier geboren?«, fragte er deshalb.
»Nein, in Haiti«, antwortete sie, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt.
»Und wie sind Sie nach Basel gekommen?«
»Ich hab mit fünfzehn auf einem Schiff angeheuert, um meinen Daddy zu suchen.«
»Und? Haben Sie ihn gefunden?«
»Klar. Aber vor ein paar Jahren ist er gestorben. Immerhin hat er noch die Vaterschaft anerkannt. Sonst hätte ich wohl kaum meinen coolen Namen, oder?« Sie lächelte und zeigte dabei ihre blendend weißen Zähne. »Und Sie? Alejandro Javier Pandera Alvarez ist auch nicht gerade ein urschweizerischer Name, oder?«
»Nein.« Woher kennt sie meinen vollen Namen? In der kurzen Zeit? »Meine Eltern stammen aus der Extremadura«, fügte er hinzu. »Ich bin aber in Basel geboren.«
»Haben Sie immer hier gelebt?«
»Überall und nirgendwo«, antwortete er. »Und jetzt wieder Basel.«
Sie schien zu merken, dass er nicht länger darüber reden wollte, also wandte sie sich um und zeigte auf ein Plakat an der Wand.
»Haben Sie das gesehen?«
Das Plakat war ganz in Schwarz gehalten, mit einem Text in der Computerschrift des Firmenlogos. »Klingt irgendwie beängstigend.«
Eine Stechmücke verfügt über 6
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