Das letzte Sakrament
Minuten gekommen.« Tamara Aerni blickte suchend über den Fußboden. Plötzlich stand sie auf, lief zu einem Mülleimer und öffnete ihn. »Leer. Entweder der Täter hat den Müll weggebracht, oder die sind hier sehr pingelig.«
Dann wandte sie sich dem Computer zu, der auf einem mit Ordnern beladenen Schreibtisch stand, und schaltete ihn an. Der Rechner ratterte kurz und verlangte eine Passworteingabe. Tamara Aerni hob die Tastatur hoch. Nur ein paar Staubkrümel lagen darunter. »Wäre auch zu schön gewesen«, brummelte sie.
»Warten wir damit auf Deckert«, sagte Pandera. Die Neue war ihm viel zu hektisch. Er ließ den Tatort lieber auf sich wirken, anstatt sich in Details zu verlieren. Dafür war ohnehin die Spurensicherung zuständig.
»Sind Sie eigentlich schon länger bei uns?«, fragte er. Pandera konnte sich nicht erinnern, die Kollegin schon einmal gesehen zu haben.
»Vier Wochen«, antwortete sie. »Die meiste Zeit war ich auf irgendwelchen Seminaren. Das hätte auch noch so weitergehen sollen, aber dann ist ja diese Geschichte mit Herrn Sander passiert.«
Pandera nickte nur.
»Wie ich gehört habe, hat er sich ziemlich danebenbenommen.«
Pandera atmete tief durch. Er hasste Klatsch. Vor allem dann, wenn es einen Kollegen betraf. »Wenn Sie das gehört haben, wird es wohl stimmen.«
Tamara Aerni biss sich auf die Lippe und schaute einen kurzen Moment zu Boden. »Sie sind auch noch nicht so lange hier, oder?«
»Drei Monate.« Obwohl er mit dem Gespräch begonnen hatte, verspürte er nicht die geringste Lust, es fortzusetzen. »Wo ist der Wachmann, der den Toten gefunden hat?«
»Er wartet nebenan.«
»Hat er irgendwas gesehen oder gehört?«
Tamara Aerni schüttelte den Kopf. »Der Mörder hatte den Tatort wohl schon verlassen, als er das Gebäude betrat.«
»Ich liebe ruhige Sonntagmorgen«, brummelte eine tiefe Stimme von hinten. Pandera drehte sich um. Beat Deckert, der Leiter der Kriminaltechnik, stand in der Tür. Er grinste, als sei gerade ein guter Zeitpunkt, um Scherze zu machen. Wie immer hatte er sein Resthaar über die Glatze gekämmt und seinen unförmigen Körper in einen karierten Anzug gesteckt. Darüber trug er einen transparenten Plastikoverall, der mindestens zwei Nummern zu groß war und von dem die Kollegen hinter vorgehaltener Hand tuschelten, dass es sich um ein Partyzelt handele. »Ist ja ne Stimmung hier wie auf dem Friedhof.«
Tamara Aerni sah Deckert mit großen Augen an. An den Humor wirst du dich gewöhnen müssen , dachte Pandera. Und an einiges andere auch. »Das ist Tamara Aerni«, sagte er zu Deckert. »Sie ist neu im Team.«
Tamara Aerni nickte freundlich, dieses Mal verzichtete sie jedoch darauf, dem Kollegen die Hand zu reichen.
»Beat Deckert«, antwortete der Kriminaltechniker. »Willkommen im Club.« Er lächelte die Neue kurz an, dann sah er auf den Toten hinunter und seufzte.
»Keine Tatwaffe?« Er zog die Einweghandschuhe an und beugte sich über die Leiche.
Pandera schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Wär ja auch zu schön gewesen«, brummelte Deckert. Er nahm einen kleinen Metallstab und betrachtete die Wunde.
»Nur ein Stich. Mitten ins Herz. Das war entweder ein Profi oder ein Glückstreffer.«
Tamara Aerni kräuselte ihre Stirn. »Es deutet nichts auf einen Einbruch hin. Entweder Obrist hat seinen Mörder gekannt oder der Kerl arbeitet hier. Vielleicht hat er auch einen Komplizen im Labor.«
»Wir werden uns das Schließsystem noch genauer anschauen«, sagte Deckert und untersuchte den Kopf des Toten. »Ein ziemlich großes Hämatom am Hinterkopf«, stellte er fest. »Und das hier könnten Würgemale sein«, fügte er hinzu und zeigte auf den Hals des Toten. »Sieht nach einem Kampf aus … Nicht gerade das, was man in einem Labor erwartet.«
»Wie lange ist er schon tot?«, fragte Pandera.
»Ich würde sagen, zwischen vier und acht Stunden«, antwortete Deckert. »Genaueres wissen wir nach der Obduktion.« Er räusperte sich. »Übrigens, der Inhaber des Labors ist da. Hab ich unten mitbekommen.«
»Ich habe ihn holen lassen«, sagte Tamara Aerni.
Pandera nickte und ging zur Tür. »Dann wollen wir uns mal mit ihm unterhalten.«
Tamara Aerni folgte ihm. Im Vorbeigehen öffnete sie eine Schublade und warf einen Blick hinein.
»Das überlassen wir mal schön den Profis«, sagte Deckert und schaute sie tadelnd an.
Ich bin auch Profi , schien sie sagen zu wollen, doch sie beschränkte sich auf ein einfaches »Okay«. Sie schob die
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