Das letzte Sakrament
Diebstahl nichts nützen.«
»Machen Sie auch Dopingtests?« Pandera erinnerte sich an einen Fall, bei dem ein Sportler, der des Dopings verdächtigt wurde, ein Labor ausgeraubt hatte.
Plattner schüttelte den Kopf. »Solche Tests darf nur ein zertifiziertes Dopinglabor durchführen. Wir haben uns auf genetische Untersuchungen spezialisiert.«
»Die von Roland Obrist durchgeführt wurden?«
»Beispielsweise. Er war einer unserer Fachleute.«
»Woran hat er zuletzt gearbeitet?«
»Gensequenzierung, diverse Auftragsarbeiten.«
»Können Sie das konkretisieren?«, fragte Pandera.
»Diese Themen sind sehr komplex … Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, ich befürchte, das würden Sie nicht verstehen, Herr Kommissar.«
»Wir sollten es auf einen Versuch ankommen lassen«, entgegnete Pandera.
»Also gut.« Plattner seufzte. »Roland Obrist hat sich mit Chromosomenaberrationen befasst.«
»Können Sie mir ein Beispiel geben?«, fragte Pandera. Er versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass er tatsächlich nichts verstand.
»Die bekannteste Chromosomenaberration ist das Down-Syndrom, auch Trisomie 21 genannt, weil das 21. Chromosom dreifach vorliegt«, erklärte Plattner.
»Obrist hat sich also mit Genmutationen befasst.«
»So könnte man es sagen.«
»Was war das Ziel dieser Untersuchungen?«
»Diese Krankheiten zu verstehen und zu verhindern.«
»Auch am lebenden Objekt?«, fragte Tamara Aerni.
Diese Frage hätte ich jetzt auch gestellt , dachte Pandera.
»Stammzeilen, Eizellen, Embryonen. Selbstverständlich nur, was erlaubt ist«, antwortete Plattner.
Pandera fixierte den Laborleiter. Wie nebenbei sagte er: »Obrist wurde also vom Paulus zum Saulus, oder?«
»Ich sagte doch schon, dass er den Orden nicht im Guten verlassen hat.« Plattner zog entnervt die Augenbrauen hoch und schob die Schnupftabakdose auf der Schreibtischunterlage hin und her.
»Hatte er noch Kontakt zu den Mitgliedern des Ordens?«
»Das ließ sich wohl kaum verhindern.«
»Weshalb?«
»Er war der Bruder des früheren Abtprimas der Jesuiten, Johann Obrist.«
»… früherer Abtprimas?«, wiederholte Pandera. Er hatte keine Ahnung, wovon Plattner redete.
»Der Abtprimas ist der Vertreter des Ordens beim Heiligen Stuhl in Rom«, erklärte Plattner.
»Und was macht dieser Bruder heute?«
»Das wissen Sie nicht?« Plattner runzelte die Stirn. »Johann Obrist ist seit drei Jahren aus Rom zurück. Er hat ganz schön Karriere gemacht.«
»Was für eine Karriere?«, fragte Pandera.
Plattner faltete demonstrativ die Hände. »Nun, Johann Obrist ist der katholische Bischof von Basel.«
5
Alex Pandera stand am Fuß der breiten Steintreppe und blickte nach oben. Die pompöse Pforte, die strengen Säulen, der helle, an Marmor erinnernde Stein und die ausladende Treppe mit den zwei statuengeschmückten Brunnen ließen die Kathedrale wirken, als stünde sie mitten in Rom. Die Gebäude ringsum, vor allem das Basler Tor mit seinen zwei steinernen Wehrtürmen, die aussahen wie riesige Bierfässer, machten jedoch jedem Besucher klar, dass er sich nicht in der Ewigen Stadt befand, sondern in der beschaulichen Schweiz.
Die Kathedrale war in der Grundform eines Kreuzes erbaut, über dem Schnittpunkt von Langhaus und Querschiffen thronte eine Kuppel. Links neben dem Chor erhob sich ein Turm, der ursprünglich geplante zweite war nie gebaut worden.
Pandera erinnerte sich, dass sein Schwiegervater ihm einmal erzählt hatte, der Untergrund an dieser Stelle sei für einen zweiten Turm nicht geeignet.
Spötter behaupteten hingegen, das Gottvertrauen sei an diesem Ort nicht groß genug. Schon beim Vorgängerbau, dem St.-Ursen-Münster, welches an der gleichen Stelle errichtet worden war, hatte man aus statischen Gründen auf den geplanten zweiten Turm verzichtet. Was nicht viel gebracht hatte, denn der erste Turm war trotzdem eingestürzt. Kurz darauf hatte man die heutige Kathedrale gebaut und als wäre nichts geschehen, wieder zwei Türme vorgesehen. Doch der Glaube war nicht stark genug gewesen, die beiden dann auch zu bauen. So war es bis heute bei einem geblieben.
Doch die Geschichte des Bistums war nicht nur reich an baulichen Kuriositäten. Pandera hatte bei seinen Recherchen überrascht festgestellt, dass der Bischofssitz des Bistums Basel sich gar nicht in Basel befand, sondern in Solothurn. Im 16. Jahrhundert war im Zuge der Reformation fast die halbe Schweiz zum protestantischen Glauben konvertiert, darunter auch die Baseler
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