Das Leuchten der Insel
auf, weißt du. Du besitzt viele Eigenschaften, die er auch gern hätte – Mut, Kontaktfreudigkeit, Unternehmungslust.«
»Ich bin gar nicht so fies zu ihm«, erwiderte Katie. »Mensch, er ist mein kleiner Bruder. Da werden wir nicht die besten Freunde.« Sie hob eine Hand zu ihrem Kopf und drehte an einer Haarsträhne, womit sie unbewusst eine von Quinns Angewohnheiten nachahmte. »Quinn ist wirklich nicht so schlimm. Ich meine, er ist erheblich interessanter als die meisten Kinder in seinem Alter. Er kapiert nur nicht, wie man sich benimmt, weißt du. Wie man sich einfügt. Und ich kann das nicht ausstehen. Ich hasse es, das Gefühl zu haben, dass ich ihn ständig beschützen muss.«
»Ja, ich weiß. Was glaubst du wohl, wie es ist, eine Mom zu sein und das Gefühl zu haben, seine Kinder ständig beschützen zu müssen?«
»Na ja, da gibt es zum einen die Rolle als Mom und dann gibt es dich «, entgegnete Katie, aber ihre Stimme klang liebevoll.
Susannah warf einen Blick auf ihre Uhr. Quinn war bereits über eine halbe Stunde im OP.
»Sie müssten bald fertig sein«, sagte sie und sah Katie an. »Willst du nach Hause? Ich meine, zurück nach Tilton?«
»Nein.« Katies Anwort kam schneller, als Susannah erwartet hatte. »Ich würde nicht für immer hier leben wollen, aber ich bin froh, dass wir hergekommen sind. Es ist anders hier.«
Die Türen zum OP öffneten sich und eine Krankenschwester kam heraus.
»Mrs. Delaney? Wir sind fertig mit der Operation. Der Arzt ist jetzt bereit, mit Ihnen über Ihren Sohn zu sprechen.«
»Susannah!«
Susannahs Augenlider schnellten hoch. Sie war auf dem Stuhl neben dem Bett eingedöst, in dem Quinn mit leicht geöffnetem Mund schlief. Katie schlief auf einer Klappliege auf der anderen Seite des Zimmers. Susannah war in den Aufwachraum gegangen und hatte gesehen, dass Quinn aus der Narkose erwachte. Der Arzt hatte ihr den Operationsverlauf erklärt. Die Infektion in Quinns Bauchraum hatte sich ausgebreitet, und er würde noch ein paar Tage im Krankenhaus bleiben müssen, damit man ihm intravenös ein Antibiotikum verabreichen konnte. Aber es ging ihm gut und er würde gesund werden. Sie hatte ihn geküsst und seine Hand gedrückt und ihm versprochen, später ein Foto von seiner Narbe zu machen (was ihm ein kleines Lächeln entlockt hatte). Als Quinn dann schließlich in sein Krankenzimmer gerollt wurde, war sie in den Stuhl gesunken und eingenickt.
»Susannah!« Matt stand auf der Türschwelle zum Krankenzimmer. Er trug eine zerknitterte Kordhose und ein langärmliges schwarzes T-Shirt. Unter seinen Augen zeichneten sich dunkle Ringe der Müdigkeit ab, und Wangen und Kinn waren von Bartstoppeln bedeckt. »Ist alles gut mit ihm?«
Susannah nickte: »Ich war mit ihm im Aufwachraum und habe mit ihm gesprochen. Der Chirurg sagte, er habe einen 7,5 Zentimeter langen Schnitt machen müssen, und darum habe ich Quinn versprochen, das ich seine Wunde fotografieren würde. Ihm gefiel das.« Sie stand auf und zuckte zusammen, weil ihr Rücken durch das Schlafen in der ungewöhnlichen Haltung auf dem Stuhl steif geworden war. »Du bist die ganze Nacht lang auf gewesen«, sagte sie.
Matt ließ seine Reisetasche und seinen Parka auf den Boden fallen. »Ja, ich bin die ganze Nacht auf gewesen. Ich konnte nicht schlafen, weil ich mich fragte, ob mein Sohn an einer Bauchfellentzündung sterben würde.« Er ging zu Quinns Bett und sah auf ihn hinab. »Er ist so blass.«
»Es geht ihm gut. Sein Fieber ist verschwunden. Er wird noch ein bis zwei Tage intravenös ein Antibiotikum bekommen, aber es wird ihm wunderbar gehen.«
Matt legte seine Hand auf Quinns Stirn und strich über seine dünnen Locken. Seine Augen wanderten vom Gesicht seines Sohnes zu der in seinen Arm tropfenden Infusion und dann über die Decke und über Quinns dünnen Körper, der in dem großen Krankenhausbett so schrecklich klein wirkte.
»Er ist seit seiner Geburt in keinem Krankenhaus gewesen«, stellte Matt fest. Er drehte sich um und sah Susannah an, und dann geschah etwas, was sie bei ihm nie vermutet hätte: Seine Augen füllten sich mit Tränen.
»Matt!« Sie eilte zu ihm, umarmte ihn und drückte ihn fest an sich.
Aber er stieß sie weg. »Ich will meine Familie wiederhaben«, sagte er. »Du musst zurückkommen und die Kinder nach Hause bringen. Ich kann das nicht machen.«
Sie stand mit leer herabhängenden Armen vor ihm. »Ich will nach Hause kommen«, sagte sie. »Ich habe die Dinge endlich
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