Das Leuchten der Insel
verstanden. Ich weiß nicht – die letzten Wochen auf Sounder habe ich die ganze Zeit über Janie nachgedacht. Und als ich dann heute das Boot mit Quinn und Katie gefahren habe, bin ich gegen eine Welle geprallt, und zwar hart. Der Aufprall war so heftig, als würde ich gegen eine Mauer prallen. Und ich begriff, dass niemand, wirklich niemand Janie während so etwas hätte festhalten können. Es war nicht meine Schuld. Ich weiß, dass du mir das unzählige Male gesagt hast, ebenso wie meine Mutter und mein Bruder. Nur heute Abend war es so, dass ich es gefühlt habe. Ich habe endlich begriffen, dass ich es nicht gewesen bin.«
Matt setzte sich auf die Kante von Quinns Bett und sah sie an.
»Ich dachte, dass ich es nicht überleben würde, wenn es ein zweites Mal passierte, wenn wieder jemandem, den ich liebe und der in meiner Obhut steht, etwas Schlimmes zustieße. Darum habe ich versucht, diese Kinder zu beschützen.«
»Ja«, sagte Matt und rieb sich mit einer Hand die Stirn.
Sie musste sich ihm unbedingt verständlich machen. Also hob Susannah erneut an: »Aber es ging nicht nur darum sicherzustellen, dass ihnen nichts geschehen würde. Katie ist so impulsiv. Ich musste sicherstellen, dass sie nicht wie ich einen Fehler beging und etwas tat, wofür sie sich für den Rest ihres Lebens würde schuldig fühlen müssen. Verstehst du?«
Matt sah sie an. »Ja, ich verstehe.« Er rubbelte sich mit der Hand durch sein ungekämmtes Haar, das auch so schon wild nach allen Seiten abstand. Dann blickte er sich im Zimmer um und suchte nach den richtigen Worten. »Sieh mal«, sagte er und fixierte sie mit seinem Blick, »du und ich, wir sind sehr unterschiedlich. Ich bin nicht weiter kompliziert. Ich mag meine Arbeit, ich liebe meine Familie, ich trinke gern ein Bier und sehe mir dabei gern ein Baseballspiel an. Es fällt mir schwer, nachzuvollziehen, wie man sich ständig um Dinge Sorgen machen kann, so wie du das tust. Aber ich liebe dich, und so ist das alles Teil des Pakets. Du bist der großherzigste Mensch, den ich kenne. Und ich werde deiner Gesellschaft nie müde. Mit dem Rest kann ich umgehen.«
»Matt. Es tut mir leid!«
»Herrje, dir braucht nichts leidzutun! Siehst du nicht, dass genau das der Punkt ist? Bereue nichts. Ich habe dir wegen Janie nie die Schuld gegeben. Keine Frage, in unserer Familie ist einiges durcheinander. Quinn ist anders als andere Kinder, und Katie kann einem ungeheuer auf die Nerven gehen, und du machst dir viel zu viele Gedanken, und ich könnte wahrscheinlich engagierter sein. Aber unterm Strich bin ich mit alldem zufrieden. Ich liebe das alles. Das sind wir .«
Sie betrachtete ihn. Sein Gesicht sah nach der langen Nacht und dem langen Flug müde und verquollen aus, aber noch immer verbarg sich darunter seine Schönheit – seine hohen Wangenknochen, die gerade Nase, die breite Stirn. Sie liebte es, sein Gesicht inzwischen zu kennen und sich daran erinnern zu können, wie es ausgesehen hatte, als er zehn und vierzehn und zwanzig Jahre alt gewesen war. All die Jahre war sie auch ein Teil davon gewesen. Sie sah die Narbe auf seiner Wange, die von einem Hockeyschläger stammte, und streckte die Hand aus und strich sanft mit einem Finger darüber. Sie starrte in seine blauen Augen, welche die Farbe von Gletschereis hatten, und er wandte sich nicht ab. Und sie hatte genau das gleiche Gefühl, das sie vor all den Jahren in der kleinen Hütte an dem See in Nordmichigan gehabt hatte. Sie spürte etwas in sich aufsteigen, wirbelnd und prall und warm. Selbst jetzt, nach all diesen Jahren, liebte er sie noch wie damals. Und am Ende von allem, nach diesem schweren letzten Jahr, wusste sie, dass sie ihn genauso liebte und sich mit ihm.
»Danke«, sagte sie.
Matts Augen musterten ihr Gesicht, und er lächelte. Es war ein liebevolles, beruhigendes Lächeln, das dem von Quinn so sehr ähnelte, dass ihr Herz zu taumeln begann.
Quinn bewegte sich im Bett und drehte sich auf die Seite. Bei dem Geräusch, das er dabei machte, stand Matt auf und beugte sich über ihn. Aber Quinn schlief. Matt ging zu Katie hinüber und sah sie an, wie sie auf der Pritsche auf dem Bauch schlief – ein Bein weit abgespreizt, ihr dunkles Haar wirr über das weiße Kissen ausgebreitet.
»Ist alles in Ordnung mit ihr?«
»Ihr geht es gut. Die vergangenen vierundzwanzig Stunden waren ziemlich anstrengend.«
»Es ist seit dem Tag, an dem sie geboren wurde, ziemlich anstrengend gewesen.«
Susannah trat neben ihn und
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