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Das Leuchten der schottischen Wälder

Das Leuchten der schottischen Wälder

Titel: Das Leuchten der schottischen Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
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folgen.“
    Lena nickte dankbar, für Worte hatte sie noch keine Kraft. Sie setzte sich hinter das Steuer und folgte dem Sergeant die lange, einsame Strecke von Barcaldine bis zum Benderloch, wo im Schutz der Berge Broadfield und am hinteren Dorfrand die kleine Farm der Eltern lag. Als sie Paso Fernando erreichten, sah sie im Schein der Autolampen die dicht gedrängte Schar der Alpakas am Ausgangsgatter stehen, wie immer bewacht von Lilly und Bully, den beiden Border Collies, die es gewohnt waren, die Herde am Abend zum Auslaufgatter zu treiben und in Schach zu halten, bis die Herrin kam und die Tiere versorgte.
    Mein Gott, dachte Lena, diese vielen Tiere, was mache ich denn nur damit? Sie stieg aus und ging im Licht der Scheinwerfer zur Koppel, wo die Herde sie laut blökend empfing. Die Hunde, die die Alpakas ständig leise knurrend umkreisten, kamen immer wieder in ihre Nähe, um durch leises Kläffen ihre Freude, dass endlich jemand gekommen war, zu bezeugen.
    Lena wusste, dass ihre Mutter bis in die ersten Maiwochen hinein die Herde tagsüber im Freien hielt und nachts in den großen Laufstall sperrte, wo sie vor der Kälte Schutz fanden. Ich muss die Gatter also so öffnen, dass die Tiere in den Stall laufen können und mir nicht entwischen, überlegte sie.
    Als Sergeant Marloff sie fragend ansah, erklärte sie: „Wenn Sie mir noch helfen würden, die Gatter so zu stellen, dass die Tiere dort in den großen Stall laufen, dann wäre ich Ihnen sehr dankbar. Und danach bitte gleich wieder schließen.“
    Der Sergeant stellte sein Motorrad so, dass dessen Scheinwerfer den zweiten Teil des Durchgangs beleuchtete und half dann, die Gatter in die richtige Stellung zu bringen. Erst ganz zum Schluss öffnete Lena das letzte Tor und ließ die grummelnde Herde mit den wachsamen Hunden zum Stall hindurchlaufen. Dann schlossen sie die Zwischenzäune, und Lena bedankte sich. „Sonst treibt meine Mutter die Herde bei Tageslicht hinein, heute war das alles etwas schwieriger. Vielen Dank, dass Sie mir geholfen haben.“
    „Und wie geht es jetzt weiter, Miss Mackingtosh?“
    „Ich stelle meinen Wagen so ab, dass die Scheinwerfer den Stall beleuchten, dann gebe ich den Tieren Heu und vor allem Wasser, und dann kümmere ich mich um das Haus.“
    „Und was werden Sie selbst machen, Miss Mackingtosh? Werden Sie hierbleiben oder nach Glasgow zurückfahren?“
    „Ich weiß es noch nicht, Sergeant Marloff. Ich muss mich um die Praxis meines Vaters kümmern, denn ich weiß, dass es sehr schwer ist, hier draußen geeignete Ärzte zu bekommen – und dann die Tiere, ich habe keine Ahnung von der Tierhaltung und von der Landwirtschaft, andererseits ist Paso Fernando alles, was mir meine Mutter hinterlassen hat. Irgendwie muss ich mich doch darum kümmern. Die Tiere sind ja keine Möbel, die man irgendwo in einem Lager abstellen kann.“
    Der Sergeant spürte, dass Lena den ersten Schock überwunden hatte und dass Haus und Hof und die Praxis sie erst einmal von der Trauer ablenken würden. „Wann soll die Beerdigung stattfinden?“
    „Ich komme morgen nach Barcaldine und bespreche alles mit dem Beerdigungsunternehmer und mit dem Pfarrer.“
    „Werden Sie eine Trauerfeier organisieren?“
    „Nur das Übliche, Sergeant Marloff. Wir haben keine Verwandten, die benachrichtigt werden müssten.“
    „Na ja, Sie werden wissen, was nötig ist, der Beerdigungsunternehmer wird Sie unterstützen, und ich bin ja auch noch da. Sehen wir uns morgen?“
    „Ja, natürlich, und vielen Dank für Ihre Hilfe. Kommen Sie gut zurück. Ich werde jetzt erst einmal die armen Tiere füttern und tränken, und dann werde ich überlegen, was aus Paso Fernando wird.“ Sie reichte dem Polizisten dankbar die Hand und winkte ihm kurz nach, als er wendete und zur Dorfstraße hinunterfuhr.
    Als der schwere Motor nicht mehr zu hören war, drehte sie sich ratlos um und schaute zum Stall hinüber. Sie sah, dass die Alpakas ruhelos umherliefen und nach Futter suchten. Mein Gott, dachte sie, was mache ich denn bloß? Die kranken Leute in dieser abgelegenen Gegend, die auf den Arzt angewiesen sind, und einhundertzwanzig Alpakas und zwei Hunde – und ich muss doch so schnell wie möglich nach Glasgow zurück, wir haben so viele Patienten im Krankenhaus, dass Überstunden für uns alle an der Tagesordnung sind. Die Verwaltung wirft mich raus, wenn ich die Klinik jetzt im Stich lasse. Die Beerdigung meiner Eltern wird man wohl dulden müssen, aber dann?
    Als sie an ihre

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