Das Leuchten der schottischen Wälder
Tisch mitten in der Woche zu bedeuten?
Er stand auf, ging zum Sofa und sah auf die schlafende Lena hinab. Dann setzte er sich vorsichtig neben sie, strich ihr das Haar aus der Stirn und eine getrocknete Träne von der Wange. Was hat die Träne zu bedeuten? Hat sie geweint? Aber warum denn, überlegte er.
Dann beugte er sich zu ihr, nahm sie in die Arme, küsste die leblosen Lippen und fragte leise: „Was ist los, Lena, hast du geweint? Bist du traurig, weil ich wieder einmal unpünktlich war?“
Lena wurde langsam wach, wollte sich aufrichten, spürte dann aber Patricks Arme um sich und schmiegte sich glücklich hinein. Lächelnd sah sie ihn an. „Ich bin nicht traurig, es war eine Freudenträne, die du weggewischt hast.“
„Und worüber freust du dich so, dass dir die Tränen kommen, obwohl ich dir wieder einmal den Abend verdorben und dich allein gelassen habe?“
Lena sah ihn fröhlich an. „Die Zeit des Alleinseins ist für mich vorbei.“
„Wieso? Hast du andere Freunde oder gar Verehrer gefunden? Die haben mich früher schon sehr geärgert.“
„Du willst andeuten, dass du eifersüchtig bist?“
„Andeuten? Ich bin eifersüchtig. Ich will dich für mich und nicht mit anderen teilen.“
„Dann lass mich nicht so oft allein.“
„Es tut mir leid, aber du kennst mich doch. Ich bin kein Mann der lauten Worte und der strapazierten Gefühle.“
„Ich will aber einen Mann, der auch mal sagt, dass er mich liebt, der mich öfter so in die Arme nimmt wie heute Abend, auch ohne ein schlechtes Gewissen wegen eines vertrockneten Bratens und einer abgebrannten Kerze auf dem Tisch und einer Träne in meinem Gesicht.“
Jetzt lächelte Patrick auch. „Verrätst du mir endlich, wer dir Gesellschaft leisten wird?“
„Patrick, ich erwarte dein Kind. Es lebt schon heute zusammen mit mir.“
„Ein Kind? Lena? Mein Kind?“
„Ja, Patrick, es ist zwar noch winzig klein, aber es ist da.“
„Mein Gott, Lena, ich liebe dich. Ich werde verrückt vor Freude, ich bin ganz außer mir, Lena.“
Er nahm sie in die Arme, küsste sie und strich zärtlich über ihren Leib, der noch so gar nichts verriet. „Ein Kind, Lena, mein Kind, meine Wurzeln, meine Keime, meine Quellen, mein Gott, mein Kind.“
„Unser Kind, mein lieber Patrick. Wenn man dich hört, dann hört man den Ranger, den Mann der von Wurzeln und Keimen und Quellen redet. Wir sind nicht jenseits der Eulenwälder, die wieder aufgeforstet werden müssen, wir sind hier, bei uns, in uns, und mittendrin wird unser Kind heranwachsen, jetzt noch nicht sichtbar, noch nicht spürbar, aber ganz bald sind wir zu dritt, und dann werden wir sehen, wie sich unsere klitzekleinen Wurzeln entwickeln und ob der Samen ein guter war, den wir ihnen mitgegeben haben.“
Patrick nahm Lena in die Arme. „Verzeihst du mir meinen Egoismus, meinen Wunsch nach dem Alleinsein, diese verdammte Menschenscheu, die mich so einsam macht?“
„Da gibt es nichts zu verzeihen, Patrick, da gibt es nur den wunderbaren Halt und die Sicherheit durch das Zusammensein. In Zukunft gehen wir Hand in Hand, und ganz bald sind da zwei kleine Hände zwischen uns, die ganz einfach sagen: Hier geht es lang.“
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