Das Leuchten
Hektar.«
Sie rümpfte die Nase. »Auf dem Meeresgrund.«
»Ja, aber sie gehören uns.« Wenn sie das Anwesen meiner Eltern hätte sehen könne n – wie grün und schön dort alles is t –, hätte sie mich vielleicht verstanden. »Sobald ich achtzehn bin, werde ich mein eigenes Land abstecken. Achtzig Hektar in einem Tal zwischen zwei Anhöhen.«
»Man könnte meinen, du machst Werbung für die Eigenheimförderung in der Tiefsee.« Lächelnd zitierte sie den Werbespruch: »Steck dein Land ab, bestelle es fünf Jahre lang, und es gehört dir!« Plötzlich horchte sie auf. »Hey, was war das?«
Ein lautes Klicken ließ das Boot vibrieren. Unsere Blicke schossen zur Decke und von dort zum tintenschwarzen Wasser hinter der Aussichtsluke. Das Geräusch wurde immer lauter, dann krachte etwas gegen das gewölbte Glas. Schützend schlug Gemma die Hände über den Kopf, aber das Plexiglas barst nicht. Stattdessen rutschte ein dunkler Gegenstand am Fenster entlang, der eine schwere Kette hinter sich herzog.
»Ein Abschlepphaken.« Ich drängte mich an ihr vorbei, um durch die Luke zu spähen. »Mach dein Licht aus!«
Hoch über uns schwebte ein U-Boot. Seine Positionslichter leuchteten matt, sodass man seine Umrisse erkennen konnt e – Umrisse, die mir schon oft beschrieben worden waren, und immer in ängstlichem Ton. Der schwere Haken schlug so heftig gegen den Puffer, dass es mir durch Mark und Bein ging. Ich wich zurück. »Lass uns verschwinden.«
Ein Lichtkegel schoss durch die Dunkelheit. »Schnell!«, drängte ich, aber Gemma konnte ihren Blick nicht von der Abschleppkette lösen, die nun fest gespannt war. »Das dort oben ist die Specter «, versuchte ich ihr klarzumachen. »Das U-Boot gehör t …«
Ein Paar Stiefel trampelten auf den Aussichtsturm und stießen sich gleich wieder von ihm ab. Dann kam die dazugehörige Person in Sicht. Kaum hatte der Mann die Kette losgelassen und sich auf den Puffer gestellt, tauchte auch schon ein zweiter Mann auf.
Gemma trat blitzschnell vom Fenster zurück. »Wer sind die?«
Ich duckte mich, als dünne Lichtstrahlen von den Helmen der Männer über die Brücke irrten.
»Outlaws«, raunte ich ihr zu und zog sie zu mir nach unten.
»Tatsächlich?«
Ihre Neugier war geweckt und sie beobachtete, wie die Gesetzlosen den Abschlepphaken am Fahrzeug festmachten. Bei jeder ihrer Bewegungen glitten die Strahlen der Stirnlampen über die Brücke. Ich griff an meinen Oberschenkel, wo ich ein zwanzig Zentimeter langes, gezacktes Messer stecken hatte. Aber so geschickt ich auch mit Messer und Harpune umgehen konnte, ich konnte unmöglich eine U-Boot-Besatzung mit lauter erwachsenen Männern abwehren. Wir mussten irgendwie unbemerkt aus diesem Fahrzeug rauskommen. Ich stieß Gemma an und zeigte zum Gang. Nachdem sie einen letzten Blick auf die Outlaws geworfen hatte, folgte sie mir in die Dunkelheit. Vor dem Maschinenraum knipste ich den Scheinwerfer an meinem Helm an und stieg durch die Luke.
Auf der Schwelle blieb sie stehen. »Also ist das hier doch kein Fischblut?«
»Ich weiß es nicht«, gestand ich. Bis jetzt gab es keinen Beweis dafür, dass die Seablite-Gang schon mal jemanden getötet hatt e – nur eine Menge hässlicher Geschichten und einen Seemann mit einer Kugel im Bein. Aber das waren für mich genügend Gründe, mich besser nicht mit einem dieser Gesetzesbrecher einzulassen. Um uns herum ächzte und knirschte das Boot.
»Beeil dich.« Ich ging an der Wand entlang, um den Blutlachen auszuweichen. »Sobald sie dieses Wrack hier aus dem Schlamm gehievt haben, hauen sie damit ab.«
»Ich gehe nicht nach draußen.« Sie rührte sich nicht vom Fleck. »Ich werde mich irgendwo verstecken.«
Vielleicht hätte ich ihr doch nichts von den Riesentintenfischen erzählen sollen.
»Hör zu. Wenn die Seablite-Gang jemanden hier drin umgebracht ha t …« Das Boot ruckelte ein Stück vorwärts. Ich hielt mich am Rand der Luftschleuse fest, um nicht der Länge nach hinzufallen. » … dann kannst du jede Wette eingehen, dass sie dieses Boot im Coldsleep Canyon versenken werden. Willst du mit untergehen?«
Sie wurde blass und beeilte sich, in die Luftschleuse zu kommen. »Sag mir noch einmal: Weshalb wollt ihr hier unten leben?«
Ich drückte auf den Knopf, der die Luke hinter ihr schloss. »Sobald du ihn in deinem Mund hast, musst du ganz fest dran saugen.«
Sie wurde knallrot. »Wie bitte?«
»Am Schlauch für den flüssigen Sauerstoff.« Ich streifte ihr den Helm über
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