Das Leuchten

Einstiegsluke war. Ich folgte ihr und machte nur eine kleine Pause, um mein Mantaboard am Schwanz des Jetfins zu befestigen. So unbemannt sah es aus wie ein richtiger Manta. Dann zwängte ich mich in Gemmas Jetfin und setzte mich neben sie auf den Pilotensitz. Hier drin kam ich mir vor wie in einer Rakete.
    Ich löste den Helm und holte tief Luft, damit das Liquigen aus meiner Lunge wich. Weil wir unsere Lungen mit einer Flüssigkeit und nicht mit einem flüchtigen Gasgemisch gefüllt hatten, war die Gefahr, die Taucherkrankheit zu bekommen, sehr gering. Dennoch war ich froh, als ich sah, dass Gemma das Druckausgleichssystem des Fahrzeugs eingeschaltet hatte. Neben mir würgte und hustete sie das Liquigen aus.
    »Stoß es nicht mit Gewalt aus.« Ich verstaute unsere Helme hinter den Sitzen. »Das tut weh.«
    Sie schluckte. In ihren Augen standen Tränen.
    »Übrigens, das ist kein Nanoboot.« Meine Finger huschten über das Armaturenbrett. »Die sind nicht tiefseetauglich. Das ist ein Jetfin.« Als ich auf den Knopf drückte und die Bedienknöpfe aufleuchteten, bemerkte ich, dass sie mich unverwandt ansah. »Entschuldige. Möchtest du lieber ans Steuer? Du hast es dir ja schließlich geliehen.«
    »Nein.« Ihre Stimme zitterte. »Ich bin sicher, du steuerst Unterseeboote, seitdem du fünf bist.«
    »Vier«, antwortete ich mit einem Lächeln, das sie nicht erwiderte. »Soll ich dich zur Handelsstation zurückbringen?«
    Sie nickte. In ihren funkelnden Augen lag eine Mischung aus Faszination und Achtsamkeit. So wie bei meiner kleinen Schwester, wenn sie sich Säugetiere mit Fell anschaute.
    »Ich muss ohnehin Meldung erstatten, dass dort unten ein Wrack liegt.« Um ihrem Blick auszuweichen, suchte ich nach dem Knopf, mit dem man den Anker lichtete. Immer wenn mich jemand so ansah wie sie jetzt gerade, hatte das nichts Gutes zu bedeuten.
    »Wie hast du mein Boot in der Dunkelheit gefunden?«, fragte sie mich.
    »Dein Jetfin«, korrigierte ich sie. »Nanoboote sind nicht für große Geschwindigkeiten gebaut.«
    »Du hast meine Frage nicht beantwortet.«
    Ich hob lässig die Schultern, obwohl meine Eingeweide zuckten wie eine Rippenqualle. Ich hatte ihr Angst eingejagt. Dabei hatte ich gedacht, ich hätte mich ganz normal verhalten.
    »Ich bin nur der Strömung gefolgt.« Das stimmte. Mehr oder weniger. »Jeder Pionier kann das.« Ich schob den Gashebel nach vorne, das Jetfin schoss davon und wir wurden in die Sitze gedrückt. Ich spürte, dass Gemma mich noch immer beobachtete. Also versuchte ich, mich auf die atemberaubend schnelle Fahrt zu konzentrieren. Doch nicht einmal dieser Adrenalinkick konnte das flaue Gefühl in meinem Magen vertreiben.
    »Es stimmt doch, oder?«, fragte sie sanft, aber hartnäckig. »Das, was man sich über die Kinder der Pioniere erzählt.«
    »Man erzählt sich viel, aber das meiste ist totaler Blödsinn.« Ich schaute stur nach vorne durch das Fenster und gab noch etwas mehr Gas. »Wir sind genauso wie ihr.«
    »Nein, das seid ihr nicht.«
    Sie hätte mir ebenso gut wieder einen Stoß mit ihrer Lampe versetzen können. Das wäre mir im Augenblick sogar lieber gewesen. Ich drehte mich zu ihr, um ihr zu widersprechen, aber Gemmas Blick war so durchdringend wie der Strahl der Signalpistole, mit dem ich die grünen Laternenhaie vertrieben hatte. Und wie diese Tiefseegeschöpfe erstarrte ich.
    »Gib es zu«, sagte sie. »Du hast eine Dunkle Gabe.«

2

    Ich verzog keine Miene. »Eine Dunkle Gabe? Das ist doch Seemannsgarn.« Ich lauschte dem Klang meiner Stimme. Sie hörte sich ruhig und gelassen an. Beinahe gelangweilt. Gut so. Ich blickte wieder auf die blauen Leuchtanzeigen des Kontrollbildschirms.
    »Du hast mein Boot im pechschwarzen Wasser gefunden«, erklärte sie. »Du bist geradewegs darauf zugeschwommen.«
    »Wenn du glaubst, ich könnte im Dunkeln sehen, irrst du dich. Ich bin nur dem Fluss gefolgt.«
    »Ein Fluss im Ozean?«, spottete sie.
    Ich drückte das Pedal bis zum Anschlag durch, um mal etwas anderes zu machen, als empört den Kopf zu schütteln. Sie wusste so vieles nicht über die Tiefsee und trotzdem war sie hier, zwei Meilen unter dem Meeresspiegel.
    »Und ihr denkt, wir seien verrückt«, murmelte ich.
    »Wer denkt das?«
    »Ihr.« Ich zog den Steuerknüppel zu mir heran und ließ das Jetfin nach oben schießen. »Die Topsider.«
    »Topsider?« Sie schien nicht einmal beleidigt zu sein. »Du meinst die Menschen, die«, sie grinste und fuchtelte mit der Hand über ihrem