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Das Licht des Nordens

Das Licht des Nordens

Titel: Das Licht des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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Zeitschriften für Familien mit Töchtern«.
    Â»Beth, du bringst es, aber läßt Lou das Wort aussuchen«, rief ich ihr nach.
    Â»Ich will aber nicht ein Wort für Babyspiele«, murrte Lou.
    Â»Kein Wort, Lou.
Kein
Wort«, zischte ich. Ihre Nachlässigkeit beim Sprechen machte mich wütender als ihr verschmierter Mund, ihre schmutzigen Overalls und der Mist, den sie reingeschleppt hatte, zusammen.
    Beth kam an den Küchentisch zurück und hielt das Wörterbuch, als wäre es aus purem Gold. Was gar nicht so abwegig war. Zumindest wog es so viel. »Such das Wort aus«, sagte ich zu ihr. »Lou hat keine Lust.« Vorsichtig blätterte sie ein paar Seiten vorwärts, dann rückwärts und legte dann den Zeigefinger auf die linke Seite.
»Rei … reiss … reissbar?«
sagte sie.
    Â»Ich glaube nicht, daß das stimmt. Buchstabier es«, befahl ich ihr.
    Â»R-e-i-z-b-a-r.«
    Â»Reizbar«,
sagte ich. »Tommy, was bedeutet das?«
    Tommy sah ins Wörterbuch. »Mürrisch, zänkisch. widerspenstig«, las er vor.
    Â»Paßt das nicht haargenau?« fragte ich.
»Reizbar«,
wiederholte ich und ließ mir das Wort auf der Zunge zergehen. Ein neues Wort. Voller Möglichkeiten. Eine makellose Perle, die man immer wieder zwischen den Fingern drehen und dann zum Aufbewahren wegschließen kann. »Jetzt bist du dran, Jenny. Kannst du einen Satz bilden mit diesem Wort?«
    Jenny biß sich auf die Unterlippe. »Bedeutet es ärgerlich?« fragte sie.
    Ich nickte.
    Sie runzelte die Stirn und sagte dann: »Ma war reizbar, als sie mir mit der Bratpfanne eins übergezogen hat, weil ich ihre Whiskeyflasche umgestoßen hab.«
    Â»Sie hat dir eine Bratpfanne übergezogen?« fragte Beth mit aufgerissenen Augen. »Warum hat sie das getan?«
    Â»Weil sie außer sich war«, sagte Abby.
    Â»Weil sie getrunken hat«, berichtigte Jenny und leckte Breireste von ihrem Löffel.
    Jenny Hubbard ist erst sechs Jahre alt, aber in den North Woods wird man schnell erwachsen, und genau wie der Mais müssen die Kinder schnell groß werden. wenn sie es überhaupt schaffen wollen.
    Â»Deine Mama trinkt Whiskey?« fragte Beth. »Mamas sollten keinen Whiskey trinken …«
    Â»Komm, Beth, laß uns gehen. Sonst kommen wir zu spät«, sagte Lou drängend.
    Â»Kommst du nicht mit, Matt?« fragte Beth.
    Â»In ein paar Minuten.«
    Bücher und Henkelmänner wurden genommen. und Abby kommandierte Lou und Beth, die Mäntel anzuziehen, während Tommy und Jenny schweigend weiteraßen. Die Schuppentür schlug zu, dann war es still. Zum erstenmal an diesen Morgen. Bis Lou rief: »Matt? Kannst du mal herkommen?«
    Â»Was ist denn? Ich hab zu tun.«
    Â»Komm doch mal!«
    Ich ging hinaus zum Schuppen. Lou stand dort. bereit zum Abmarsch, und hielt Lawtons Angelrute in der Hand.
    Â»Lou, was soll das?«
    Â»Ich kann keinen Brei mehr essen«, antwortete sie. Dann packte sie mich am Ohr, zog meinen Kopf zu sich und küßte mich auf die Wange. Ein schneller Schmatz. Ich nahm ihren Geruch wahr – Holzrauch. Kuhstall und den Kaugummi, den sie ständig kaut. Erneut knallte die Tür zu, und sie war fort.
    Meine anderen Schwestern gleichen meiner Mutter. wie ich auch. Braune Augen, braunes Haar. Lou gleicht unserem Pa. Lawton auch. Kohlrabenschwarzes Haar. blaue Augen. Lou verhält sich auch wie Pa. Ständig verärgert neuerdings. Seit Mama gestorben und Lawton fortgegangen ist.
    Als ich wieder nach drinnen ging, kratzte Tommy so heftig seinen Napf aus, daß ich dachte, er wolle das Emaille mitessen. Ich hatte von meinem Brei nur ein paar Löffel abgekriegt. »Willst du meinen aufessen. Tom?« fragte ich und schob ihm meine Schale hin. »Ich hab keinen Hunger und möchte ihn nicht wegwerfen.« Dann steckte ich den Stöpsel ins Spülbecken. goß heißes Wasser aus dem Kessel hinein, fügte ein bißchen kaltes aus der Pumpe dazu und begann mit dem Abwasch. »Wo sind eure anderen Geschwister?«
    Â»Susie und Billy sind zu Weaver gegangen. Myrton und Clara versuchen’s beim Hotel.«
    Â»Wo ist das Baby?«
    Â»Bei Susie.«
    Â»Geht’s eurer Ma heute nicht gut?«
    Â»Sie kommt nicht unterm Bett vor. Sie sagt, sie fürchtet sich vor dem Wind und kann ihn einfach nicht mehr hören.« Tommy sah auf seine Schüssel und dann auf mich.

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