Das Licht Von Atlantis
in den Armen hältst.«
Deoris flüsterte etwas Unverständliches und wand sich nervös aus der Umarmung ihrer Schwester. Domaris ließ sie los, bückte sich und hob die Schriftrolle auf. Sie stöhnte ein wenig bei dieser Bewegung, denn sie war immer noch nicht wieder frei von Schmerzen.
»Lies das, Deoris.«
Gehorsam, aber ohne jedes Interesse warf das Mädchen einen Blick auf die Symbole - beugte sich über die Karte und begann schließlich mit höchster Konzentration zu lesen. Ihre Lippen bewegten sich, ihre kleinen Finger fassten das Pergament so fest, dass Domaris einen Augenblick lang fürchtete, sie werde es zerreißen. Dann ließ Deoris den Kopf auf die Karte fallen und brach in leidenschaftliches Schluchzen aus.
Mit einer so heftigen Reaktion hatte Domaris nicht gerechnet. Nicht einmal sie konnte ganz nachempfinden, welche furchtbaren Ängste Deoris ausgestanden hatte und wie sehr es sie erschüttern musste, plötzlich von ihnen befreit zu sein. Domaris ahnte ja auch nichts von jener einzigen Nacht, die Deoris wie einen Schatz in ihrem Gedächtnis bewahrte, als Riveda nicht ihr Adept und Lehrer, sondern ihr Liebhaber gewesen war! Sacht nahm Domaris die kleine Schwester in die Arme, sprach kein Wort, atmete kaum, während Deoris weinte, bis ihre Tränen versiegt waren.
Wie erleichtert Domaris war! Für Kummer hatte sie Verständnis, aber Deoris' dumpfes Brüten, die mit Wutanfällen abwechselnde Apathie, das hatte sie mehr geängstigt, als ihr bisher klar gewesen war. Jetzt lehnte Deoris erschöpft an ihrer Schulter, die Augen geschlossen und einen Arm um ihren Hals gelegt. Es war, als sei die Zeit zurückgedreht worden und sie seien wieder das, was sie vor Micons Ankunft gewesen waren...
Blitzartig erkannte Domaris, wie sehr ihre Schwester Riveda geliebt hatte, und in verwandelter Form kehrten ihr eigener Verlust, ihr eigenes Leid zurück. Micon, Riveda - darauf kam es nicht an. Die Liebe und der Verlust waren sich gleich . Domaris war froh und erleichtert darüber, dass Deoris endlich um Riveda weinen konnte.
Als Deoris vor der Halle, in der der Rat der Fünf auf sie wartete, mit Reio-ta zusammentraf, hatte sie sich wieder gefasst und verhielt sich ihm gegenüber höflich und reserviert. Sie hatte ihn immer noch als den wahnsinnigen Chela im Gedächtnis, der auf Katzenfüßen hinter dem dunklen Adepten hergeisterte - dieser gutaussehende, selbstbewusste junge Priester beeindruckte sie. Einen Augenblick lang überlegte sie, wer es sein könne. Dann erklärte sie förmlich, und die Stimme drohte ihr zu versagen: »Prinz Reio-ta von Ahtarrath, ich bin dir dankbar für diese Freundlichkeit -«
Reio-ta lächelte schwach, ohne sie anzusehen. »Du b-brauchst mir nicht zu danken, Deoris, ich stehe d-dir in allen Dingen zur Verfügung.«
Deoris hielt den Blick starr auf den blauen Saum ihres weitgeschnittenen schlichten Gewandes gerichtet, doch sie ergriff die ihr gebotene Hand, wenn auch mit ängstlichem Zögern. Ihr Gesicht brannte; sie schämte sich ihres unförmigen schwangeren Körpers. Die Traurigkeit und das Mitleid in Reio-tas Augen bemerkte sie nicht.
Die Zeremonie war nur kurz, aber Deoris erschien sie endlos. Nur Reio-tas starke Hand, die die ihre mit festem Griff hielt, gab ihr den Mut, die vorgeschriebenen Antworten zu flüstern. Sie zitterte so heftig, dass Reio-ta, als sie zum Segen niederknieten, den Arm um sie legen und sie festhalten musste.
Endlich stellte Ragamon die Frage: »Wie lautet der Name des Kindes?«
Deoris schluchzte laut und sah Reio-ta hilfeflehend an. Es war das erste Mal, dass ihre Blicke sich begegneten.
Er lächelte ihr zu, und dann kündete er mit ruhiger Stimme vor dem Rat der Fünf an: »Die Sterne sind gelesen worden. Diese meine Tochter nenne ich - Eilantha.«
Eilantha! Deoris war in der Priesterschaft hoch genug aufgestiegen, um diesen Namen deuten zu können. Eilantha - die Wirkung einer Ursache, die Ringe, die ein ins Wasser geworfener Stein erzeugt, die Macht des Karma.
»Eilantha, dein Leben ist anerkannt und wird willkommen geheißen«, gab der Priester zur Antwort - und von diesem Augenblick an war Deoris' Kind auch Reio-tas Kind, als habe er es gezeugt. Die hallenden Worte des Segens klangen feierlich durch den Raum. Dann half Reio-ta der jungen Frau beim Aufstehen, und obwohl sie sich ihm entziehen wollte, führte er sie höflich zum Ausgang der Halle. Dort blieb er stehen und hielt ihre Hand fest.
»Deoris«, sagte er ernst, »ich m-möchte dir
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