Das Licht Von Atlantis
keine Sorgen aufbürden. Ich weiß, es geht dir nicht gut. Aber - ein paar Dinge müssen zw-zwischen uns besprochen werden. Unser Kind -«
Wieder schluchzte Deoris laut auf. Mit aller Kraft entriss sie ihm ihre Hand und rannte Hals über Kopf davon. Reio-ta, verwirrt und gekränkt, rief ihr laut hinterher. Dann eilte er ihr nach, besorgt, sie könne fallen und sich verletzen.
Doch als er an die Ecke des Tempelgebäudes kam, war sie nicht mehr zu sehen.
In einem abgelegenen Winkel der Tempelgärten kam Deoris endlich zur Ruhe, und plötzlich merkte sie, dass sie viel weiter gelaufen war, als sie beabsichtigt hatte... Noch nie war sie hier gewesen und war im Zweifel, welcher der sich verzweigenden Pfade zum Haus Mutter Ysoudas zurückführte. Zögernd drehte sie sich um und versuchte festzustellen, wo sie sich befand und wohin sie sich wenden müsse. Da richtete sich im Gebüsch eine geduckte Gestalt auf, und sie stand plötzlich Auge in Auge mit Karahama. Instinktiv wich Deoris in Angst und Groll ein Stück zurück.
In Karahamas Augen loderte ein trübes Feuer. » Du! « Die Priesterin spuckte Deoris verächtlich an. » Tochter des Lichts! « Karahamas Gewand war von oben bis unten aufgerissen, wirr und ungekämmt hing ihr Haar ihr ins Gesicht, das nicht mehr ruhig und gelassen, sondern verzerrt und aufgedunsen war. Ihre Augen sahen rot und entzündet aus, und sie fletschte die Zähne wie ein Tier.
Deoris war über diesen Anblick entsetzt und drückte sich gegen die Mauer - aber Karahama rückte immer dichter an sie heran, bis sie das Mädchen berührte. Plötzlich wurde es Deoris klar: Karahama war geisteskrank!
»Kindermörderin! Zauberin! Hure!« schrie Karahama in wahnsinniger Wut. »Talkannons stolzeste Tochter! Für mich wäre es besser gewesen, man hätte mich zum Sterben auf die Stadtmauer gelegt, als dass ich diesen Tag erleben muss! Und du, deretwegen ich habe leiden müssen, Tochter der hochgeborenen Dame, unter deren Würde es war, meine arme Mutter zur Kenntnis zu nehmen - wo ist Talkannon jetzt, Tochter des Lichts? Er wird wünschen, sich wie Demira erhängt zu haben, wenn die Priester mit ihm fertig sind! Oder hat die stolze Domaris dir auch das vorenthalten? Zerreiße deine Kleider, Talkannons Tochter!« Karahamas wie Klauen gekrümmte Hände schossen vor und rissen Deoris' Gewand vom Ausschnitt bis zum Saum auf.
Vor Angst aufschreiend, zog Deoris das zerfetzte Kleid um sich und versuchte, sich loszuwinden. Es gelang ihr nicht, denn Karahama stellte sich vor sie und drückte sie mit dem Rücken gegen die bröckelnde Mauer.
»Zerreiße deine Kleider, Tochter des Lichts! Raufe dir das Haar! Tochter des Erzpriesters Talkannon, der heute stirbt! Und Domaris hat versucht, dir das zu verschweigen! Domaris, die sie wie eine Hure hinausgeworfen haben, die von Arvath als unfruchtbar verstoßen worden ist!« Sie spie aus und drängte Deoris von neuem heftig gegen die Mauer. »Und du - meine Schwester, meine kleine Schwester - « Sie sprach in einem unheimlichen Singsang und imitierte Domaris' Tonfall, was wie ein geisterhaftes Echo klang. »Dein eigener Leib ist schwer mit einer Schwester der Kinder, an denen du dich vergangen hast!« Karahama, die bisher durch die Wimpern geschielt hatte, riss plötzlich die gelblichgrünen Augen auf. Sie waren blutunterlaufen wie die eines Tieres, ihre Pupillen waren stark erweitert. Sie schrie:
»Sklavinnen und Hurentöchter sollen dich entbinden! Ungeheuer sollst du gebären!«
Deoris' Knie gaben nach. Sie brach auf dem sandigen Pfad zusammen und drückte sich gegen die Steine der Mauer. »Karahama, Karahama, verfluche mich nicht!« flehte sie. »Die Götter wissen - die Götter wissen, dass ich nichts Böses im Sinn hatte!«
»So, sie hat nichts Böses im Sinn gehabt«, höhnte Karahama in ihrem unheimlichen Singsang.
»Karahama, die Götter wissen, dass ich dich geliebt habe, ich habe auch deine Tochter geliebt, verfluche mich nicht!«
Auf einmal kniete sich Karahama neben sie. Deoris schauderte vor ihr zurück - aber Karahama half ihr behutsam und mitleidig wieder auf die Füße. Das rasende Feuer in ihren Augen war erloschen, und sie wirkte trotz ihrer zerrauften Haare vernünftig, wenn auch bekümmert.
»So ging es mir auch einmal. Deoris - ich war nicht unschuldig, doch tief verletzt. Du bist ebenso wenig unschuldig! Aber ich verfluche dich nicht mehr.« Deoris atmete erleichtert auf. Karahamas qualvolles Gesicht verschwamm hinter ihrem
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