Das Licht Von Atlantis
verkrampfte sich; sie wollte nicht darüber nachdenken, warum. »Nein«, hauchte sie zitternd, »nein, ich war nicht -«
»Riveda war wahnsinnig!« schnaubte Cadamiri. »Also hat er sein eigenes Ritual zunichte gemacht, aber das will nichts heißen, denn dann war es eben eine weitere Blasphemie! Ich kann deiner Logik nicht folgen.«
Maleina sah ihn an. Sie hielt sich gerade aufrecht. »Ich meine folgendes«, sagte sie mit einem dünnen, ironischen Lächeln. »Deoris war bereits schwanger - und Rivedas Ritus war deswegen nichts als eine Posse, der er selbst die Bedeutung genommen hatte!« Die Adeptin genoss den Gedanken sichtlich. »Was ist ihm da für ein Streich gespielt worden!«
Deoris brach ohnmächtig zusammen.
8. DAS URTEIL DER GÖTTER
Nach langer Beratung war das Urteil über Domaris gesprochen worden: Lebenslängliche Verbannung aus dem Tempel des Lichts. Sie sollte in allen Ehren fortgehen, als Priesterin und Initiierte; niemand konnte ihr den Verdienst, den sie sich erworben hatte, absprechen. Aber sie musste allein gehen. Nicht einmal Micail durfte sie begleiten, denn er war von seinem Vater der Vormundschaft Rajastas anvertraut worden. Zu ihrem Exil bestimmte man den Neuen Tempel in Atlantis nahe Ahtarrath.
Über Deoris hatte man keinen Spruch gefällt; ihre Strafe sollte erst nach der Geburt ihres Kindes festgesetzt werden. Weil Domaris sich ihrer jüngeren Schwester eidlich verpflichtet hatte, erhielt sie das Recht, bis dahin bei ihr zu bleiben. Weitere Zugeständnisse wurden nicht gemacht.
Ein paar Tage darauf saß Rajasta nachmittags allein in der Bibliothek, vor sich eine Geburtskarte ausgebreitet - aber seine Gedanken weilten bei dem bitteren Streit, der ausgebrochen war, nachdem man Deoris bewusstlos weggetragen hatte.
»Sie verstecken sich nicht hinter Mysterien, Cadamiri«, hatte Maleina nachdrücklich festgestellt. »Ich, die ich eine Initiierte Ni-Terats bin - die ihr hier Caratra nennt -, habe das Zeichen gesehen, und es ist unmöglich, es zu fälschen.«
Cadamiris Zorn kannte keine Grenzen mehr. »Also sollen sie ohne Strafe davonkommen? Die eine hat sich der Zauberei schuldig gemacht - auch wenn ihr Kind nicht im Dunklen Schrein gezeugt worden ist, so hat sie doch an dem Ritual teilgenommen, das diese Folge hätte haben können. Und die andere hat die heiligen Riten schändlich missbraucht.«
»Es war kein Missbrauch«, widersprach Maleina, das Gesicht grau vor Erschöpfung. »Jede Frau darf den Schutz der Dunklen Mutter anrufen, und wenn sie auf ihr Gebet eine Antwort bekommt, kann ihr diesen niemand mehr wegnehmen. Und sage nicht, die Schwestern gingen straflos aus, Priester! Sie haben sich dem Gericht der Götter unterworfen, und es steht uns nicht an, dem, was sie auf sich herabbeschworen haben, noch etwas hinzuzufügen. Weißt du nicht -« ihre alte Stimme bebte vor nicht mehr zu verbergender Furcht »- dass sie sich und die Ungeborenen bis ans Ende der Zeit verbunden haben? Durch alle ihre Leben - alle ihre Leben, nicht nur dies Leben allein, sondern von Leben zu Leben! Niemals wird eine von ihnen Heim, Liebe, Kind haben, ohne dass der Schmerz der anderen, die dessen beraubt ist, ihr die Seele zerreißt! Niemals wird eine Liebe finden, ohne der anderen das Herz zu durchbohren! Niemals werden sie frei sein, bis sie alles abgebüßt haben. Wir könnten sie bestrafen, ja - in diesem Leben. Sie aber haben freiwillig das Gericht der Dunklen Mutter angerufen, und ihr Karma wird sich fortsetzen, bis der Fluch, den Domaris über Riveda ausgesprochen hat, seine Wirksamkeit verliert und Riveda frei ist.«
Darauf fand nicht einmal Cadamiri eine Antwort. Als alle anderen die Halle bereits verlassen hatten, saß er immer noch mit gefalteten Händen da, und niemand wusste, ob er betete, ob er vor Zorn außer sich war oder ob der Schreck ihn gelähmt hatte.
Rajasta hatte die Sterne für Deoris' ungeborenes Kind gelesen, rief Domaris zu sich und breitete die Rolle vor ihr aus. »Maleina hatte recht«, sagte er. »Deoris hat sich geirrt. Ihr Kind kann unmöglich in der Nadir-Nacht empfangen worden sein.«
»Deoris würde unter diesem Eid niemals die Unwahrheit sagen, Rajasta.«
Rajasta sah das Mädchen, das er so gut kannte, forschend an. »Vertraust du ihr immer noch?« Eine Antwort war nicht notwendig. »Hätte Riveda das nur gewusst, dann wären viele verschont geblieben. Ich kann mir nichts Sinnloseres vorstellen, als eine Frau, die bereits schwanger ist, für ein solches Ritual
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