Das Licht Von Atlantis
und Micons fast durchscheinender, ausgemergelter Körper verkündeten, dass er keine Kraft zu vergeuden hatte. Und doch war ebenso offensichtlich, dass der Atlanter ein Adept war - ein Adept der hohen Mysterien.
Riveda, durstig nach Wissen und der Macht, die Wissen bedeutet, empfand eine seltsame Mischung von Neid und Bedauern. Welch fürchterliche Verschwendung! dachte er. Dieser Mann würde sich - und seinen Idealen - besser dienen, wenn er sich den dunkleren Seiten des Lichts zuwendete! Licht und Dunkelheit waren schließlich nichts als aufeinander abgestimmte, ausgewogene Erscheinungsformen eines Ganzen. Aus dem Kampf mit dem Tod konnte eine Kraft gezogen werden, wie sie das Licht niemals zu zeigen oder zu gewähren vermochte...
Micons Begrüßung bestand aus bedeutungslosen höflichen Phrasen und Riveda hörte sie nur mit halbem Ohr. Als Micon dann aber zur Sache kam, lauschte der Graumantel verblüfft und ungläubig den Worten des Atlanters.
»Ich war unvorsichtig.« Die klingende Stimme füllte den ganzen Raum. »Was mir zugestoßen ist, hat keine Bedeutung. Aber da war und ist einer, der auf den Weg des Lichts zurückkehren muss. Versuche, meinen Halbbruder zu finden. Was das Übrige angeht - ich kann dir den Schuldigen nicht nennen, und ich will es auch nicht.« Eine sparsame Geste unterstrich, dass Micons Entschluss unabänderlich war. »Es soll keine Rache genommen werden! Die Tat trägt ihre eigene Strafe in sich.«
Riveda schüttelte den Kopf. »Mein Orden muss gesäubert werden.«
»Darüber musst du entscheiden. Ich kann dir dabei nicht helfen.« Micon lächelte, und zum erstenmal spürte Riveda die Wärme, die von dem Mann ausging. Der Atlanter drehte den Kopf und sah Domaris an. »Was sagst du dazu, Lichtgekrönte?« fragte er. Riveda und Talkannon verschlug es die Sprache, dass er eine einfache Akoluthin - und eine Frau noch dazu - auf solche Weise anredete.
»Du hast recht«, erklärte Domaris nachdenklich. »Aber Riveda hat ebenfalls recht. Viele Lernwillige kommen auf der Suche nach Wissen hierher. Wenn Zauberei und Folter unbestraft bleiben, gedeihen die Übeltäter wie die Maden im Speck.«
»Und was sagst du, mein Bruder?« Micon wandte sich an Rajasta. Das nahm Riveda ihm übel - auch er war schließlich Adept und ein Initiierter, und doch leugnete Micon jede spirituelle Verwandtschaft mit ihm.
»Domaris sagt die Wahrheit, Micon.« Rajastas Hand schloss sich ganz behutsam um den mageren Arm des Atlanters. »Zauberei und Folter schänden unseren Tempel - und die Pflicht verlangt, dafür zu sorgen, dass anderen nicht das gleiche Übel widerfährt wie dir.«
Micon seufzte und machte eine resignierte Bewegung mit der Hand. »Dann muss ich mich eurem Urteil beugen. Aber ich kann die Täter leider nicht nennen... Sie nahmen uns am Kai in Empfang, behandelten uns mit erlesener Höflichkeit und brachten uns bei Graumänteln unter. Am Abend führte man uns in eine Krypta und verlangte von uns unter Androhung von Folter und Tod bestimmte Dinge. Wir weigerten uns...« Ein eigentümliches Lächeln überzog die hageren, dunklen Züge. Micon streckte seine verrenkten Hände aus. »Ihr seht, dass es keine leeren Drohungen waren. Und mein Halbbruder -« Wieder brach er ab, und kurze Zeit herrschte kummervolles Schweigen. »Er ist fast noch ein Knabe«, ergänzte Micon schließlich, »und sie konnten ihn für ihre Zwecke nutzen, wenn auch nicht in dem Maße, wie ich ihnen hätte dienen können. Es gelang mir, mich für einen Augenblick loszureißen, bevor sie mich in Fesseln legten, und von einem Gesicht die Maske herunterzuzerren. Und deshalb... deshalb sehe ich jetzt nichts mehr. Danach - sehr viel später, glaube ich - wurde ich freigelassen. Freundliche Männer, die mich nicht kannten, brachten mich in Talkannons Haus, wo ich meine Diener wiederfand. Wie man ihnen meine lange Abwesenheit erklärt hat, weiß ich nicht.« Micon hielt inne und setzte dann leise hinzu: »Talkannon sagte mir, ich sei lange krank gewesen. Und tatsächlich gibt es eine Zeitspanne, an die ich überhaupt keine Erinnerung habe.«
Talkannons eiserner Griff zwang seine Tochter zum Schweigen.
Riveda stand mit gefalteten Händen da, betrachtete Micon nachdenklich und fragte schließlich: »Wie lange ist das her?«
Micon zuckte, leicht verlegen, die Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Meine Wunden waren geheilt - soweit eine Heilung möglich war -, als ich in Talkannons Haus erwachte.«
Nun brach Talkannon, der bis jetzt so
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