Das Licht Von Atlantis
Brennpunkt bestimmter Naturkräfte. Seine Mauern waren so gebaut, dass sie diese Kräfte abfingen und leiteten.
Ein milder Sommernachmittag lag über der Stadt, und in den Strahlen der Sonne schimmerte die See wie ein Goldtopas. Ein Traum von einer Brise bewegte leicht die von süß-salzigem Geruch des Flurwassers erfüllte Luft. Drei große Schiffe wiegten sich mit schwellenden Segeln im Hafen. Ein paar Meter vom Kai entfernt hatten Händler ihre Stände aufgeschlagen und riefen ihre Waren aus. Die Ankunft der Schiffe war ein Ereignis, das Stadt und Land, Bauern und Adlige gleichermaßen erregte. In den überfüllten Straßen drängten sich bunt durcheinander Priester in leuchtenden Roben mit unnachgiebigen Kaufleuten und abgerissenen Bettlern. Ein unaufmerksamer Flegel, der andere im Gedränge stieß oder knuffte, wäre an jedem anderen Tag mit Auspeitschung bestraft worden. Heute trug es ihm nur einen scharfen Blick ein. Jungen in zerlumpten Kleidern rannten in die Menge hinein und wieder hinaus, ohne einem einzigen fetten Kaufmann die Tasche zu leeren.
Eine kleine Gruppe von Menschen nur blieb von Anrempeleien und Vertraulichkeiten verschont. Ehrfürchtiges Lächeln folgte Micon, der eine Hand leicht auf Deoris' Arm gelegt hatte, auf seinem Weg durch die Straßen. Sein leuchtendes Gewand aus einem eigentümlichen, makellos weißen Stoff, in ungewöhnlichem Stil geschnitten und gegürtet, verriet den Leuten, dass der Mann, der gekommen war, um ihre Kinder zu segnen oder ihr Land fruchtbar zu machen, kein gewöhnlicher Priester war. Die Töchter Talkannons in seiner Begleitung waren natürlich jedem bekannt. Arvath wurde von manch einem jungen Mädchen in der Menge mit einem Lächeln bedacht. Aber die dunklen Augen des jungen Priesters hafteten eifersüchtig auf Domaris. Er grollte, dass seine Verlobte sich von Micon so beeindruckt zeigte. Heute war Arvath ihnen buchstäblich nachgelaufen.
Sie machten auf einer sandigen Dünenkette halt und blickten aufs Meer hinaus. »Oh!« rief Deoris in kindlichem Entzücken, »die Schiffe!«
Aus Gewohnheit wandte Micon sich ihr zu. »Was für Schiffe sind das? Erzähle es mir, kleine Schwester«, bat er. Lebhaft und eifrig beschrieb Deoris ihm die großen Schiffe: hoch über den Wellen schwankend, Schlangenbanner in grellem Rot am Bug. Micon hörte mit gedankenverlorenem, verträumtem Gesicht zu.
»Schiffe aus meiner Heimat«, murmelte er sehnsüchtig. »In keinem See-Königreich gibt es so herrliche Schiffe wie in Ahtarrath. Die rote Schlange ist das Zeichen meines Vetters -«
Arvath unterbrach ihn ohne jede Förmlichkeit: »Auch ich stamme von den Goldenen Inseln, Herr Micon.«
»Wer sind deine Vorfahren?« erkundigte sich Micon interessiert. »Ich habe Heimweh nach einem bekannten Namen. Bist du je in Ahtarrath gewesen?«
»Ich habe einen großen Teil meiner Jugend am Fuß des Sternenbergs verbracht«, antwortete der jüngere Mann. »Mani-toret, mein Vater, war Priester der Äußeren Tore im Neuen Tempel, und durch Adoption bin ich der Sohn Rathors in Ahtarrath.«
Micons Gesicht leuchtete auf, und er streckte seine dürren Hände freudig dem jüngeren Mann entgegen. »Dann bist du in der Tat mein Bruder, junger Arvath! Denn Rathor war mein erster Lehrer in der Priesterschaft und führte mich zur Initiierung!«
Arvaths Augen wurden groß. »Dann - dann bist du dieser Micon?« staunte er. »Mein Leben lang hat man mir von dir erzählt -«
Micon runzelte die Stirn. »Lass das«, warnte er. »Sprich nicht davon.«
Von Verlegenheit überwältigt, rief der junge Mann: »Du kannst wirklich Gedanken lesen!«
»Dazu war nicht viel Gedankenlesen notwendig, jüngerer Bruder«, meinte Micon trocken. »Kennst du diese Schiffe?«
Arvath sah ihn unverwandt an. »Ich kenne sie. Und wenn du dich verborgen halten möchtest, hättest du nicht hier herkommen sollen. Du hast dich sehr verändert. Ich habe dich nicht wiedererkannt. Aber es mag Leute geben, die es tun.«
Die Schwestern standen nah bei ihnen und lauschten gespannt den geheimnisvollen Andeutungen. Ihre Augen wanderten zwischen den beiden Männern hin und her, und dann tauschten sie wieder Blicke miteinander.
»Du hast mich nicht -« Micon hielt inne »- wiedererkannt? Sind wir uns denn einmal begegnet?«
Arvath lachte herzlich. »Ich habe nicht erwartet, dass du mich wiedererkennst! Hört zu, Domaris, Deoris, ich will euch von Micon erzählen! Als ich ein kleiner Junge war, noch keine sieben Jahre alt, wurde ich zu
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