Das Licht Von Atlantis
einen Augenblick zu einem Lächeln. Dann bildeten die Lippen wieder eine strenge Linie. »Ich werde die Wahrheit über diese Machenschaften schon herausfinden, Rajasta, glaube es mir.«
»Das weiß ich«, sagte Rajasta schlicht. Die Blicke der beiden Männer trafen sich und ruhten ineinander; gegenseitige Wertschätzung sprach aus ihnen.
»Ich werde Micon befragen müssen...«
»Dann komm in der vierten Stunde zu mir«, forderte Rajasta ihn auf und wandte sich zum Gehen.
Riveda hielt ihn mit einer Handbewegung zurück »Du vergisst, dass das Ritual meines Ordens bestimmte zeitraubende Vorbereitungen von mir verlangt. Erst wenn -«
»Ich habe es nicht vergessen«, erwiderte Rajasta kühl. »Aber die Sache ist sehr dringend, und du hast in solchen Fällen einigen Spielraum.« Mit diesen Worten entfernte er sich rasch.
Riveda blickte auf die geschlossene Tür. Er war beunruhigt, doch nicht wegen Rajastas fordernder Art. Ein solches Verhalten war für einen Wächter normal, und im allgemeinen wurde es auch durch die Umstände gerechtfertigt.
Es gab immer Magier - und würde sie, wie Riveda vermutete, auch immer geben -, die sich nicht daran hindern ließen, mit den schwarzen verbotenen Künsten der Vergangenheit herumzuexperimentieren. Riveda wusste nur zu gut, dass sein Orden automatisch verdächtigt wurde, wenn es im Tempel zu irgendwelchen Störungen kam. Es war töricht von ihm gewesen, sich in seine Studien zu versenken und die Graumäntel von niedrigeren Adepten leiten zu lassen. Jetzt mussten vielleicht für die Dummheit und Grausamkeit einiger weniger auch die Unschuldigen leiden.
Idioten sind sie, schlimmer als Idioten, dachte Riveda. Dass sie ihre Höllenspiele nicht auf Personen ohne Bedeutung beschränken können! Und wenn sie schon so hoch hinaufgreifen, dann sollten sie nicht so dumm sein, ihre Opfer am Leben zu lassen und ihnen so die Gelegenheit zu geben, Schauergeschichten zu erzählen!
Rasch räumte Riveda die feinen Geräte ein, mit denen er die Studien betrieb, die ihn so lange beschäftigt hatten. Sein düsteres Gesicht zeigte einen Ausdruck grimmiger Entschlossenheit.
Es war in der Tat Zeit, dass er sich um seinen Orden kümmerte.
In einer Ecke des Raums, die Rajastas Verwaltungsarbeiten vorbehalten war, saß ruhig der Erzpriester Talkannon. Er wirkte völlig losgelöst von der Menschheit und ihren Sorgen. Neben ihm stand bewegungslos Domaris, die ab und zu Micon mit einem Seitenblick bedachte.
Der Atlanter hatte nicht Platz nehmen wollen und lehnte sich an einen Tisch. Micons Ruhe war unheimlich - eine anerzogene Haltung, die Rajasta nervös machte, denn er wusste, was sich dahinter verbarg. Nachdenklich die Stirn runzelnd, wandte der Priester den Blick ab und sah durch das Fenster die graugekleidete Gestalt Rivedas, unverkennbar auch auf die weite Distanz. Der Magier war auf dem Weg zu ihnen.
Ohne sich zu bewegen, fragte Micon: »Wer kommt da?«
Rajasta fuhr zusammen. Die Wahrnehmungsgabe des Atlanters war für ihn ein Quell ständiger Verwunderung. Obwohl er blind war, hatte Micon etwas bemerkt, das sowohl Talkannon als auch Domaris entgangen war.
»Riveda, nicht wahr?« setzte Micon hinzu, bevor Rajasta antworten konnte.
Talkannon hob den Kopf, doch er sprach nicht. Alle schwiegen, als Riveda eintrat und die Priester mit lässiger Höflichkeit grüßte. Domaris wurde, dem Brauch entsprechend, nicht beachtet. Sie hatte Riveda bisher noch nie gesehen. Ganz kurz begegnete ihr Blick dem des Adepten. Dann senkte sie schnell den Kopf und kämpfte gegen eine instinktive Angst und einen spontanen Widerwillen an. Ihr war sofort klar, dass sie imstande war, diesen Mann, der ihr nie etwas zuleide getan hatte, zu hassen - und ebenso, dass sie diesen Hass niemals auch nur durch das kleinste Anzeichen verraten durfte.
Micon berührte Rivedas Hand leicht mit seiner eigenen und dachte: Der Mann da ist zu vielem fähig... Auch der Atlanter hatte ein ungutes Gefühl, ohne zu wissen, warum.
»Willkommen, Herr von Ahtarrath«, sagte Riveda mit gewandter, unzeremonieller Ehrerbietung. »Ich bedaure zutiefst, dass ich nichts davon erfuhr, bis -« Er brach ab. Plötzlich kam ihm klar zu Bewusstsein, was er bislang allenfalls geahnt hatte: Dem Mann vor ihm hatte der Tod sein Siegel aufgedrückt. Alles an Micon verriet es: die nur mühsam zusammengehaltenen Kräfte, die langsamen, vorsichtigen Bewegungen, das sorgsam gehütete Feuer seines Willens, der bewusst sparsame Einsatz von Energie, all das
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