Das Licht Von Atlantis
wissen gab, ausgelotet hatte. »Na gut!« sagte er dann. »Wenn die Priester des Lichts mir dies Geheimnis nicht erhellen können, muss ich eben lernen, schwarze Gestalten in völliger Schwärze zu erkennen!« Er wandte sich zum Gehen und rief über die Schulter zurück: »Ich danke euch, dass ihr mir die Möglichkeit bietet, mein Wahrnehmungsvermögen zu verfeinern!«
In der Zurückgezogenheit seiner Wohnung lag Micon ausgestreckt auf dem schmalen Bett, das Gesicht in den Armen verborgen. Er atmete langsam und bewusst. Durch Rivedas Lebenskraft, die Micon in einem Augenblick der Unvorsichtigkeit hatte auf sich wirken lassen, hatte er die ständig gefährdete Kontrolle über seinen Körper verloren. Heftige Gleichgewichtsstörungen machten ihn wie betäubt, und zu seiner Benommenheit gesellte sich Entsetzen. Es war paradox, dass ihn diese Kraft, die ihm in einer weniger kritischen Situation nur hätte gut tun können, in diesem Augenblick mit dem völligen Zusammenbruch und Schlimmerem bedrohte.
In Micon breitete sich die Überzeugung aus, dass die Folterung und das, was er jetzt erlitt, nur das Vorspiel zu einer noch längeren, bitteren Quälerei waren - und wozu? Um dem Bösen zu widerstehen!
Obgleich er Priester war, war Micon doch noch so jung, dass er in schreckliche Verwirrung geriet. Anständigkeit , dachte er mit plötzlicher Wut, ist ein viel zu teurer Luxus! Aber er bezwang die Versuchung, sich einer solchen Stimmung hinzugeben. Zornig auf sich selbst erkannte er, dass es Gedanken waren, die die Dunklen sandten. Ihr Wille war, durch die Nadelstiche, die ihre Folter geöffnet hatte, einem weiteren Sakrileg Tür und Tor zu öffnen. Verzweifelt kämpfte er die geistige Anfechtung nieder. Sie würde sonst die bereits nachlassende Kontrolle über seinen Körper, die er nur mit aller Mühe aufrechterhielt, noch weiter schwächen.
Ob ich das noch ein ganzes Jahr lang werde ertragen können?
Doch er hatte eine Aufgabe zu vollenden, mochte kommen, was wollte. Er hatte bestimmte Versprechen abgegeben, und er musste sie halten. Er hatte Rajasta als Schüler angenommen... und dann war da Domaris... Domaris...
5. DIE NACHT DES ZENITS
Der Nachthimmel war ein stilles Gewölbe. Bläue türmte sich auf Bläue, Purpur über Indigo, bestäubt mit einem Glitzern soeben erblühender Sterne. Ein zartes Leuchten, zu schwach für Sternenglanz, zu schemenhaft, um irdischen Ursprungs zu sein, schwebte über dem Pfad in der mondlosen Nacht. In seinem Schimmern schritt Rajasta unbeirrbar dahin, und Micon neben ihm bewegte sich ruhig und sicher, ohne je zu straucheln.
»Warum suchen wir heute nacht das Sternenfeld auf, Rajasta?«
»Heute nacht - ich dachte, ich hätte es dir schon erzählt - ist die Nacht, in der Caratra, der Stern der Frauen, den Zenit berührt. Die Zwölf Akoluthen werden den Himmel beobachten, und jeder wird die dort sichtbaren Zeichen auslegen, so gut er kann. Es wird dich bestimmt interessieren.« Rajasta lächelte seinem Gefährten zu. »Domaris wird hinkommen, und ihre Schwester wird wahrscheinlich auch dort sein. Sie bat mich darum, dich mitzubringen.« Der Pfad führte zur Kuppe eines Hügels. Rajasta nahm Micons Arm und half ihm freundlich beim Aufstieg.
»Es wird mir bestimmt Freude machen.« Micons Lächeln war frei von dem Schmerz, der sein Gesicht sonst so oft verzerrte. Wo Domaris war, war Vergessen; er war nicht immer so stark. Irgendwie hatte sie die Fähigkeit, ihm eine Kraft zu verleihen, die nicht allein physischer Natur war, sondern eher wie ein Überströmen ihrer eigenen reichen Lebenskraft. Micon fragte sich, ob sie es bewusst tat - daran, dass sie zu einer solchen überströmenden Großzügigkeit imstande war, zweifelte er nie. Ihre Sanftmut und Freundlichkeit waren wie ein Geschenk der Götter -, und mit einem Sinn, der über bloßes Sehen hinausging, hatte er erkannt, dass sie schön war...
Rajastas Augen waren traurig. Er liebte Domaris, und wie sehr er sie liebte, das wurde ihm erst jetzt bewusst, da er ihren Frieden bedroht sah. Diesem Mann, den er ebenfalls liebte, rückte der Tod immer näher. Das Gefühl, das Rajasta zwischen Micon und Domaris aufblühen sah, war zart und schön, doch trug es den Keim des Kummers in sich. Ebenso wie Micon wusste Rajasta, dass Domaris sich Micon ganz hingeben würde, so sehr, dass sie sich dabei selbst beraubte. Er wollte und konnte das nicht verbieten, und das unvermeidliche Ende, das er mit großer Klarheit voraussah, stimmte ihn
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