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Das Licht Von Atlantis

Das Licht Von Atlantis

Titel: Das Licht Von Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Locken über die Augen. Noch immer kam ihr in ihrer Verwirrung niemand zu Hilfe, und jetzt flüsterte auch Micon in der Dunkelheit: »Willst du nicht singen, meine kleine Deoris? Auch Rajasta hat von deiner lieblichen Stimme gesprochen.«
    Dass Micon einen Wunsch äußerte, kam nur sehr selten vor. Sie konnte ihm seine Bitte nicht abschlagen. Schüchtern sagte sie: »Ich will von den Sieben Wächtern singen - wenn Rajasta den Vers von den fallenden Sternen singt.«
    Rajasta lachte laut. »Ich soll singen? Meine Stimme würde die Wächter vor Schreck noch einmal vom Himmel fallen lassen, mein Kind!«
    » Ich werde den Vers singen«, entschied Riveda und forderte das Mädchen erneut zum Singen auf, dieses Mal in einem Ton, der keine weiteren Ausflüchte duldete.
    Das Mädchen schlang die Arme um die mageren Knie und wandte das Gesicht zum Himmel. In klarem, ruhigem Sopran begann sie zu singen:
    An einem Tag, längst vergessen,
    Hielten Sieben Wächter
    Wache am Himmel.
    Ein schwarzer Tag war's,
    Als sieben Sterne
    Ihren Platz verließen,
    Den Schwarzen Stern des Unheils zu bewachen.
    Sieben Sterne
    Stahlen sich leise
    Als Sieben Wächter
    Von ihren Plätzen
    Unter der Deckung
    Des schützenden Himmels
    Der Schwarze Stern wartet
    Stumm im Schatten,
    Schleicht durch die Schatten
    Und wartet der Nacht,
    Über dem Berg
    Hängt er, schwebt er,
    Dunkel, ein Rabe
    In roter Wolke.
    Leise wie Schatten
    Fallen die Sieben,
    Sonnenlicht macht sie
    Unsichtbar.
    Flammend fallen
    Sieben Sterne
    Auf den Schwarzen Unheilsstern!
    Andere Menschen, die sich auf dem Sternenfeld versammelt hatten, um die Himmelszeichen zu beobachten, wurden von dem Gesang angezogen. Still und voller Bewunderung kamen sie näher. Jetzt fiel, in einem strengen Rhythmus, Rivedas tiefer, klingender Bariton ein und begleitete Deoris' silbrige Stimme mit unheimlichen Harmonien.
    Der Berg bebt!
    Donner erschüttert
    Die Dämmerung!
    Als Sieben Wächter
    Niederstürzen,
    Ein Regen aus
    Kometenfeuer,
    Auf den Schwarzen Stern!
    Der Ozean wogt vor Qual,
    Berge bersten und bröckeln!
    Ertrunken liegt der Schwarze Stern,
    Und das Unheil ist tot!
    Mit gedämpfter, glockenreiner Stimme sang Deoris die Klage:
    Sieben Sterne fielen,
    Fielen vom Himmel,
    Ertranken, wo tot
    Der Schwarze Stern liegt!
    Manoah der Gnädige, Herr des Glanzes,
    Hob die Ertrunkenen auf,
    Verbannte den Schwarzen
    Für endlose Zeiten,
    Bis er von neuem
    Aufgeht im Licht.
    Die Guten Wächter
    Erhob er zu Ehren,
    Zur Krone des Bergs.
    Hoch über dem Sternenberg
    Leuchten die Sieben,
    Die Sieben Bewacher
    Von Erde und Himmel.
    Das Lied erstarb in der Nacht; ein leiser Wind flüsterte und verstummte. Die Leute, die sich versammelt hatten, ein paar Akoluthen und zwei oder drei Priester, murmelten ein paar anerkennende Worte und schlenderten, in eine leise Unterhaltung vertieft, wieder von dannen.
    Micon rührte sich nicht. Seine Hand lag noch immer in Domaris' sanften Fingern. Rajasta beobachtete die beiden, die er so sehr liebte, und war tief in Gedanken versunken. Es war ihm, als gäbe es nur noch sie auf dieser Welt.
    Riveda neigte seinen Kopf Deoris zu. Sternenlicht und Schatten milderten die Strenge seiner harten, atavistisch wirkenden Züge. »Deine Stimme ist schön. Ich wollte, wir hätten solche Sängerinnen im Grauen Tempel! Vielleicht singst du eines Tages wirklich dort...«
    Deoris sagte ein paar belanglose Höflichkeiten, runzelte dabei jedoch die Stirn. Die Männer der Graumäntel-Sekte standen im Tempel in hohen Ehren, aber ihre Frauen waren so etwas wie ein Geheimnis. Durch seltsame, geheimnisvolle Gelübde gebunden, wurden sie gleichermaßen verachtet und gemieden. Man sprach von ihnen herabsetzend als saji , ein Wort, das Deoris, die seine Bedeutung gar nicht kannte, unheimlich und furchterregend vorkam. Viele der Graumäntel-Frauen stammten aus dem Volke; einige waren die Kinder von Sklaven, und darin lag vermutlich der Hauptgrund dafür, dass Ehefrauen und Töchter der Priesterkaste sie mieden. Der Gedanke, Deoris, die Tochter des Erzadministrators Talkannon, könne sich freiwillig den verfemten saji anschließen, ärgerte das Kind derartig, dass es sich kaum noch über Rivedas Kompliment für ihren Gesang freuen konnte.
    Der Adept lächelte nur. Dann sagte er leise: »Da deine Schwester zu müde ist, um mich zu unterweisen... Würdest du wohl die Sterne für mich ausdeuten, Deoris?«
    Deoris errötete tief. Angestrengt spähte sie in den Himmel und besann sich darauf, was sie gelernt

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