Das Licht Von Atlantis
verabscheut die Zauberer. Andererseits aber ist er intelligent und strebt nach Wissen, und es ist ihm ziemlich gleichgültig, wo und wie er es erwirbt... Unterschätze nie die Macht der intellektuellen Neugier, Domaris! Sie führt zu größerem Unheil als viele andere menschliche Motive. Wenn Riveda wirklich schlecht oder absichtlich grausam wäre, dann wäre er weniger gefährlich. Doch ihn beherrscht nur eines: der Drang eines mächtigen Geistes, der niemals echt herausgefordert worden ist. Persönlichen Ehrgeiz kennt er nicht. Er sucht Erkenntnis um ihrer selbst willen. Es geht ihm nicht um Nutzen oder um die Vollendung seiner selbst. Besäße er mehr Egoismus, wäre mir seinetwegen wohler zumute. Und Deoris liebt ihn, Domaris.«
»Deoris liebt diesen widerwärtigen Alten -?«
Micon seufzte. »So alt ist Riveda nicht. Auch liebt Deoris ihn nicht so, wie du und ich uns lieben. Wenn es nur das wäre, würde ich mir keine Sorgen machen. Aber Liebe lässt sich nicht erzwingen oder verbieten. Zwar ist Riveda nicht der Mann, den ich für sie ausgesucht hätte, aber ich bin ja nicht ihr Vormund.« Er spürte Domaris' Verwirrung und sagte leise: »Noch etwas anderes beunruhigt mich: Deoris ist kaum alt genug, um diese Art von Liebe zu empfinden oder zu wissen, dass es sie gibt. Außerdem - ich weiß kaum, wie ich es dir sagen soll... Sie ist kein Mädchen, das schnell zu Leidenschaft erwacht. So etwas muss langsam reifen. Sollte sie aber zu früh erweckt werden, hätte ich große Angst um sie. Und - wie ich sagte - sie liebt Riveda. Sie bewundert ihn und ich vermute, dass es ihr nicht einmal bewusst ist. Um Riveda Gerechtigkeit widerfahren zu lassen: Ich glaube nicht, dass er es darauf angelegt hat. Versteh mich recht, er könnte sie missbrauchen, wie es bei der schlimmsten Prostitution nicht vorkommt, und ihr ihre Jungfräulichkeit lassen - und er könnte ihr ihre Unschuld erhalten und trotzdem mit ihr ein Dutzend Kinder zeugen.«
Domaris, von Micons heftiger Erregung verstört und beinah ein bisschen benommen, biss sich auf die Lippe. »Das verstehe ich einfach nicht!«
Zögernd begann Micon: »Hast du nicht von den saji gehört?«
»O nein!« schrie sie auf. »Das würde Riveda nicht wagen!«
»Das will ich hoffen. Vielleicht ist Deoris jedoch in der Liebe nicht klug.« Er zwang sich zu einem müden Lächeln. »Du bist ja auch nicht klug gewesen! Allein -« Wieder seufzte er. »Nun, Deoris muss ihrem Karma folgen wie wir dem unseren.« Domaris stöhnte entsetzt, und Micon sagte bedauernd: »Jetzt habe ich dich überanstrengt!«
»Nein - aber dein Sohn ist jetzt schon so schwer, er tut mir weh.«
»Das tut mir leid - wenn ich ihn nur für dich tragen könnte!«
Domaris lachte leise, und federleicht legte sie ihre Hände in seine. »Du bist Prinz von Ahtarrath«, sagte sie fröhlich, »und ich bin deine gehorsame Magd und Sklavin. Trotzdem kannst du dies eine Privileg nicht haben! Ich kenne meine Rechte, mein Prinz!«
Noch einmal verschwand der strenge Ernst von seinem Gesicht und machte einem vergnügten Lachen Platz. Er beugte sich vor und küsste sie. »Das wäre in der Tat eine Magie ganz außergewöhnlicher Art«, räumte er ein. »Wir von Ahtarrath haben eine gewisse Macht über die Natur, das ist wahr. Aber alle meine Kräfte zusammen könnten so ein Wunder nicht bewirken!«
Domaris legte sich beruhigt und erleichtert zurück; der Augenblick der Gefahr war vorüber. Micon hatte sich offenbar erholt und würde nicht wieder zusammenbrechen.
Aber die Nacht des Nadir war jetzt nicht mehr fern.
16. DIE NACHT DES NADIR
Die letzten Monate ist es Micon wirklich nicht gutgegangen , dachte Rajasta, ebenso traurig wie erstaunt darüber, dass sich der Gesundheitszustand des Atlanters immer noch nicht wesentlich gebessert hatte.
Der Initiierte stand vor dem Fenster, und das einströmende Abendlicht durchschien beinah seinen ausgemergelten schwachen Körper. Mit einer Nervosität, die in seinen Bewegungen immer stärker sichtbar wurde, befühlte Micon die kleine Statuette von Nar-inabi, der Sternenmacherin.
»Woher hast du sie, Rajasta?«
»Erkennst du sie wieder?«
Der Blinde senkte den Kopf und wandte sich halb von Rajasta ab. »Das kann ich jetzt nicht mehr sicher behaupten. Aber ich - erkenne die Technik. Sie ist in Ahtarrath hergestellt worden, und ich glaube, sie kann nur meinem Bruder oder mir gehören.« Er zögerte. »Solche Arbeiten wie diese sind - außerordentlich teuer. Sie ist aus einem sehr
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