Das Licht Von Atlantis
Feuersäule stieg durch den Rauch nach oben und wurde dann wieder zu einer niedrigen Flamme.
»Das Feuer ist fertig«, meldete Rajasta. Das Singen schwoll inzwischen zu einer Flut von Klängen an. Sonst herrschte vollkommene Stille und es schien, als schlügen die Pulse der Lebenden nur noch gedämpft und langsam.
Fast majestätisch anzusehen, ganz anders als der Micon, den Rajasta sonst kannte, begab sich der Atlanter langsam in die Mitte des Raumes, stellte die Zeremonialklinge mit der äußersten Spitze auf den metallenen Rand des Kohlenbeckens und umschritt es im Halbkreis, so dass er das Gesicht von neuem dem Fenster zuwandte. Mit der Schwertspitze immer noch das Becken berührend, hob Micon den Gong und hielt ihn einen Augenblick lang auf Armeslänge von sich ab. Die Weihrauchdämpfe legten sich um den Gong wie Metallspäne, die von einem Magneten angezogen werden.
»Rajasta!« befahl Micon. »Stell dich neben mich und lege mir deinen Arm um die Schultern.« Der Priester des Lichts gehorchte, und Micon zuckte zusammen. »Sachte, mein Bruder! So ist es gut. Und jetzt -« er holte tief Atem - »warten wir.«
Der hohe, klagende Gesang sank mit rasender Schnelligkeit in tiefere Lagen, bis er in kaum noch hörbaren Schwingungen vibrierte. Dann vernahmen sie nichts mehr.
Sie warteten. Die Lautlosigkeit weitete sich aus, grenzenlos. Sie umwogte die beiden, und es war, als befänden sie sich in der Unendlichkeit eines sternenleeren Universums. Die drückende Stille erstickte jeden Laut, sie lastete auf ihnen wie aus schwerem Stoff gefertigte unheimliche Totengewänder.
Rajasta spürte Micons Körper, straff und hochaufgerichtet unter dem metallischen Mantel. Er schien das einzige wirkliche Wesen in all dieser leeren, toten Stille zu sein. Mit rasselndem Flüstern fuhr ein Windstoß ins Fenster, und die Lichter wurden trübe. Die Luft um sie bebte. Rajastas Haut überlief ein Schauer. Er fühlte, wie sich in der Dunkelheit eine neblige Kälte über ihn legte und nahm die Dinge um sich herum nur noch verzerrt wahr.
Da klang auf einmal die tragende Stimme des Initiierten durch die lastende Stille. »Ich habe euch nicht gerufen! Bei dem Gong -« er schlug mit dem Schwertknauf gegen den Gong; der metallene Klang zerriss die Ruhe der Natur. »Bei dem Schwert -« Micon hob das Schwert und richtete die Spitze gegen das Fenster. »Und bei dem Wort auf dem Schwert - bei Eisen und Bronze und Feuer -« Er stieß das Schwert in das Feuer. Es knisterte, Funken stoben auf.
Die Worte, die Micon seinem Mund entströmen ließ, waren fast sichtbar in ihren Vibrationen, die als Echo hin und her geworfen wurden, von Oktave zu Oktave; in erregenden Schwingungen stiegen sie weiter und weiter auf in die unvorstellbare Unendlichkeit von Zeit und Raum, sie eilten durch immer neue Universen, hinein in eine immerwährende Bewegung, die weder Ort noch Dauer hatte und doch Anfang und Ende und alles dazwischen in sich einschloss.
Micon und Rajasta waren von einem lebhaften Schimmern, Funkeln und Wirbeln umgeben, das immer schneller wurde, als drehten die gemauerten Wände sich um sie und schlossen sie ein. Noch einmal stieß Micon die Spitze der Klinge in das Kohlenbecken. Das Feuer flammte auf und züngelte an der Klinge hoch, und in der Ferne erhob sich ein dumpfes Gebrüll. Immer noch umtanzten sie die schwindelerregenden, ständig wechselnden Lichter und Farben. Sie kamen näher, aber nicht mehr so schnell, und die Mauern schienen nicht mehr drohend über ihnen zusammenzubrechen.
Die Flammen warfen einen Lichtschein in Rot und einem trüben Orange auf das dunkle Gesicht des blinden Initiierten. Langsam, sehr langsam legte sich Nebel um die Schwertklinge, blieb dort einen Augenblick lang wie ein weißblauer Ring hängen und fiel dann hinunter in das stoßweise aufflackernde Feuer, das nun mit Zischen und Flüstern verlöschte. Der Boden unter ihnen wurde wie von einem Erdbeben geschüttelt, und dann war alles ruhig.
Micon stützte sich zitternd auf Rajasta. Die Macht und Majestät, die er noch eben ausstrahlte, hatten ihn verlassen. Das Schwert stand immer noch aufrecht in dem ausgebrannten Holz des Kohlenbeckens. Rajasta setzte gerade zum Sprechen an, als von irgendwo weit weg ein letztes, ohrenzerreißendes Krachen kam.
»Fürchte dich nicht«, sagte Micon mit rasselndem Atem. »Die Macht kehrt durch jene zurück, die sie unbefugt haben benutzen wollen. Unsere Arbeit ist - beendet. Und ich -« Die Kräfte verließen ihn und er hing
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