Das Licht von Shambala
war, der in den Köpfen der Pfeifen glomm.
Sarahs Züge verzerrten sich vor Abscheu. Zum einen entsann sie sich lebhaft, in jungen Jahren heimlich an Gardiner Kincaids nargile gesogen und daraufhin ein höchst unerfreuliches Zwiegespräch mit ihrem Magen geführt zu haben. Zum anderen erinnerte sie der betäubende, leicht süßliche Geruch von Opium an Maurice du Gard, den treuen Freund, den sie verloren hatte.
Je tiefer es in das Rauchhaus hineinhing, desto entrückter wurden die Gesichter und desto lebloser die Gestalten, die auf den Polstern lagen. Lautlose Schatten huschten zwischen ihnen umher, die ihre Pfeifen am Brennen hielten, während ein Saz-Spieler leise, fast ätherische Klänge auf seinem Instrument zupfte. Es war eine gespenstische Szenerie, durch die Sarah und Hingis huschten, während sie sich weiter nach dem verschwundenen Jungen umblickten. Doch von Ufuk fehlte nach wie vor jede Spur.
Sie erreichten den Hinterausgang, der in ein geräumiges hanlar 8 führte. Ein türkischer Lagerist, der sich ihnen protestierend in den Weg stellen wollte, verstummte, als Sarah ihm den Revolver unter die Nase hielt. »Ist hier jemand durchgekommen?«, fragte sie. »Ein Turkmene mit dunkler Haut und schmalen Augen? Etwa fünfzehn Jahre alt?«
Sie war sich nicht sicher, ob der Mann Arabisch verstand, denn aus seinen Augen sprach Unverständnis. Dennoch nickte er und deutete zwischen den mit Tabakballen vollgestopften Regalreihen hindurch zum Hinterausgang des Lagers.
Sarah nickte und eilte weiter, gefolgt von Hingis, dem die Sache noch immer nicht behagte. »Ich weiß nicht, Sarah«, versuchte er seinen Bedenken flüsternd Ausdruck zu verleihen. »Die Sache gefällt mir nicht. Was, wenn es eine Falle ist?«
Sarah musste zugeben, dass auch ihr dieser Gedanke schon gekommen war, aber sie hatte ihn verscheucht wie ein lästiges Insekt. Sie glaubte nicht, dass der junge Ufuk ein Agent der Gegenseite war. Und selbst wenn, würde sie ihren Weg gehen. Denn mehr als alles andere wollte sie Antworten ...
Sie erreichten die hölzerne Tür, durch deren Ritzen grelles Tageslicht fiel. Sarah versuchte, einen Blick nach draußen zu erheischen, aber alles, was sie sah, waren sandiger Boden und eine kahle Mauer. Offenbar befand sich hinter der Tür ein kleiner Hof.
Den Revolver im Anschlag, stieß Sarah die Tür auf. Sonnenlicht blendete sie, sodass sie die Augen abschirmen musste, als sie hinaus ins Freie trat. Sie hörte das Knirschen ihrer Stiefel im Sand, dann einen scharfen Luftzug von Friedrich Hingis - und fuhr alarmiert herum.
Hinter ihr, an der Wand des Lagerhauses aufgereiht, sodass sie von drinnen nicht zu sehen gewesen waren, stand ein halbes Dutzend Männer. Es waren Osmanen in typischer Kleidung, die ihre Turbane jedoch gelöst und so um die Köpfe geschlungen hatten, dass ihre Gesichter nicht zu erkennen waren. In ihren Händen lagen Steinschlosspistolen, die altertümlich anmuten mochten, jedoch schussbereit geladen waren und auf Sarah und ihren Begleiter zielten. Und der kalte Blick ihrer Augen ließ vermuten, dass sie nicht zögern würden, die Abzüge zu betätigen.
Friedrich Hingis ließ ein tiefes Seufzen vernehmen, während er langsam die Hände hob. »Früher«, kommentierte er trocken, »habe ich alles darangesetzt, auf jeden Fall immer Recht zu behalten. Was für ein Idiot ich gewesen bin.«
»Nein«, widersprach Sarah, während sie angesichts der drückenden Übermacht den Colt Frontier sinken und schließlich fallen ließ. »Der Idiot bin ganz zweifellos ich.«
»Selbsterkenntnis ist ein erster Schritt auf dem langen Weg zur Besserung«, sagte plötzlich jemand, der hinter ihnen stand und dessen Kommen sie nicht bemerkt hatten. In Anbetracht der schussbereiten Mündungen wagten Sarah und Hingis nicht, sich umzudrehen, aber sie erkannten die Stimme auch so. Sie gehörte keinem anderen als Ufuk ...
»Ich wusste, dass Sie mir folgen würden, Lady Kincaid«, sagte der Junge, während er sie umrundete und in ihr Blickfeld trat, ein Lächeln im Gesicht. »Mein Meister hat es mir gesagt.«
»So«, schnaubte Sarah. »Hat er dir auch gesagt, dass du uns auf einen einsamen Hinterhof locken und uns ausrauben sollst?«
»Ich? Sie ausrauben?« Aus seinen schmalen Augen sprach pures Unverständnis. »Wo denken Sie hin? Ich habe nur den Auftrag, Sie auf die möglichen Folgen unbesonnenen Handelns aufmerksam zu machen.«
»Danke, das ist dir gelungen«, erwiderte Sarah trocken und mit einer Spur von Spott.
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