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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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erkennen, was in ihrem Gesicht vor sich ging, aber sie empfand tatsächlich weder Genugtuung noch Reue. Der Mann war nur ein Hindernis gewesen. Ein weiteres Hemmnis, das es auszuräumen galt auf dem Weg zu Kamal ...
    Die Reaktionen der anderen Kaffeehausbesucher fielen unterschiedlich aus. Einige lachten, andere schüttelten verständnislos den Kopf, wieder andere schienen keineswegs einverstanden, hielten sich jedoch bedeckt, aus Furcht, die offenbar verrückte Britin könnte auch ihnen alafranga 5 die Nase zertrümmern. Friedrich Hingis hingegen machte kein Hehl aus seinem Missfallen.
    »Liebe Freundin«, entrüstete er sich, »ich muss doch sehr bitten! Was hat der Mann dir getan, das einen solchen Gewaltausbruch rechtfertigt?«
    »Er war mir im Weg«, erklärte sie schlicht.
    »Was du nicht sagst. Und gedenkst du, alle Hindernisse auf diese Weise zu beseitigen?«
    »Wenn es sein muss«, bestätigte sie nickend. Sie wollte endlich zur Tür hinaus, aber der sich noch immer am Boden windende Paschtune hinderte sie daran, jetzt nicht weniger als zu dem Zeitpunkt, da er noch auf beiden Beinen gestanden hatte. Ein hagerer junger Mann, der sich bislang unauffällig im Hintergrund gehalten hatte, eilte zu dem gefällten Koloss und untersuchte ihn.
    »Seine Nase ist gebrochen«, sagte er auf Englisch mit leichtem türkischem Akzent, während der Blick seiner dunklen Augen Sarah mit unverhohlenem Vorwurf taxierte. »Er braucht dringend einen Arzt.«
    »Dann geben Sie ihm etwas Geld, damit er sich verbinden lassen kann, Friedrich«, wies Sarah ihren Begleiter an. »Und dann lassen Sie uns endlich weitergehen, wir haben hier ohnehin schon zu viel Zeit verschwendet. Wir müssen diesen Ufuk finden, sonst ...«
    »Geben Sie sich keine Mühe, Lady Kincaid«, sagte der Junge, der, wie Sarah jetzt feststellte, höchstens fünfzehn oder sechzehn Jahre alt war. Er trug osmanische Kleidung. Seinem dunklen Teint, dem blauschwarzen Haar und dem singenden Akzent nach stammte er aus Turkestan. »Ich bin Ufuk.«
    »Du?«
    Sarah musterte den Jungen von Kopf bis Fuß - und war enttäuscht.
    Seit rund einem Monat hielten Hingis und sie sich nunmehr in Konstantinopel auf, und während dieser ganzen Zeit war es ihr einziges Bestreben gewesen, jemanden zu finden, der beschlagen genug war, ihnen die Zeichnung auf dem Pergament zu deuten. Ein ganzes Dutzend selbsternannter Seher und Gelehrter hatten sich bereits die Zähne daran ausgebissen, ohne dass sie einen wirklich brauchbaren Hinweis bekommen hätten. Die wahren Weisen, so hieß es, gingen mit ihrem Wissen nicht hausieren; sie biederten sich nicht bei reichen Ausländern an und buhlten um deren Gunst, sondern hatten ihr Leben in den Dienst der Studien und der Wahrung alter Mysterien gestellt. Entsprechend schwierig war es, an einen jener hakim 6 heranzukommen. Über einen türkischen Gelehrten, der an der Universität von Konstantinopel altorientalische Geschichte unterrichtete (und damit dasselbe Fach, das auch Gardiner Kincaids Fachgebiet gewesen war), waren sie schließlich an einen der Kuratoren der erst im vergangenen Jahr in Betrieb genommenen Kutuphanei Osmaniye gelangt, der ersten türkischen Staatsbibliothek, der ihnen wiederum die Adresse eines gewissen Mehmed Alcut gegeben hatte, eines Antiquitätenhändlers in Galata, der auf dem Bücherbasar altarabische Handschriften zum Kauf anbot. Nach mehreren Besuchen hatte sich ein freundschaftliches Verhältnis zwischen Friedrich Hingis und Alcut entwickelt, der ein leidenschaftlicher »Rauchtrinker« war und die Empfehlungen des Schweizers, guten Tabak betreffend, überaus zu schätzen wusste; und über einen Schwager Alcuts, der sich für seine Dienste großzügig hatte entlohnen lassen, waren Sarah und Hingis schließlich auf den Namen Ufuk gestoßen.
    Fortan hatten sie alles darangesetzt, den Mann zu treffen, der angeblich in alten Mysterien beschlagen war, freilich in der Annahme, es mit einem Menschen zu tun zu haben, der deutlich mehr als sechzehn Lenze zählte. Nicht nur, dass ihre Erwartung ins Leere lief; Sarah fühlte sich schlechterdings verhöhnt bei der Vorstellung, wertvolle Zeit damit vergeudet zu haben, einem Halbwüchsigen nachzuspüren, der vermutlich nichts als ein Scharlatan war.
    Wenn auch ein sehr gewitzter ... »Du bist Ufuk«, wiederholte sie.
    »Allerdings.« Der Junge erhob sich und nickte. Der Blick seiner ebenso dunklen wie schmalen Augen war unverfälscht und ehrlich, sodass Sarah, anders als bei dem

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