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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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»Und nun? Was willst du tun, nachdem du uns diese Lektion erteilt hast? Uns wieder laufen lassen?«
    »Wenn Sie gehen möchten, dürfen Sie das natürlich«, räumte der Junge zu ihrer Überraschung ein. »Wenn Sie allerdings noch immer meinen Meister treffen wollen, dann sollten Sie bleiben und mit mir kommen. Denn ohne meine Hilfe werden Sie ihn niemals finden.«
    »Du - du willst uns zu deinem Meister führen?«
    »Gewiss.« Ufuk nickte.
    »Aber - wieso auf einmal? Vorhin sagtest du ...«
    »Lady Kincaid«, sagte der Junge mit ruhiger Besonnenheit, die weit jenseits seiner Jahre zu liegen schien, »nicht unsere Worte sind es, die uns zu dem machen, was wir sind, sondern allein unsere Taten.«
    »Und das heißt?«, wollte Sarah wissen, die wenig Verlangen danach verspürte, sich von einem Halbwüchsigen Rätsel aufgeben zu lassen.
    »Es war eine Prüfung«, gab Hingis instinktiv die Antwort. »Er hat uns auf die Probe gestellt.«
    »Ist das wahr?«
    »Ja und nein«, erwiderte der Junge frohgelaunt. »Im Grunde haben Sie sich selbst auf die Probe gestellt, Lady Kincaid. Ich habe nur getan, was mein Meister mir aufgetragen hat.«
    »Was führt dein Meister im Schilde?«, wollte Sarah wissen und machte eine ausladende Handbewegung, die die Vermummten und den Hinterhof, ja, den ganzen Basar einzuschließen schien. »Was soll das alles? Warum hast du uns so lange vor dem Kaffeehaus stehen lassen? Warum sagtest du, dass wir noch eine weitere Woche warten müssten? Warum dieses alberne Versteckspiel?«
    »Ich sagte es Ihnen schon, Lady Kincaid - um Sie zu prüfen. Mein Meister wollte wissen, wie ernst es Ihnen ist.«
    »Und jetzt weiß er es?«, fragte Sarah kritisch.
    »Offensichtlich«, bemerkte Hingis süffisant.
    »Folgen Sie mir also, wenn Sie meinen Meister treffen möchten.« Ufuk nickte ihnen zu und deutete auf den Revolver, der herrenlos auf dem Boden lag. »Und stecken Sie Ihre Waffe wieder ein, Lady Kincaid. Man weiß nie, wann man es mit echten Räubern zu tun bekommt.«
    »Witzig«, kommentierte Hingis, dem der Schrecken noch immer in den Gliedern saß, und rang sich ein freudloses Lächeln ab. »Das Kerlchen ist wirklich witzig.«
    »Ja«, bestätigte Sarah, während sie den Colt vom Boden auflas und wieder unter ihrem doloman verschwinden ließ. »Die Ringling-Brüder hätten ihre wahre Freude an ihm.«
    Wie sie erst jetzt bemerkten, hatte der Hof einen zweiten Ausgang. Zwischen zwei einander überlappenden Mauern führte ein schmaler Weg hindurch, der zurück ins Labyrinth der Verkaufsgassen führte. Die Vermummten waren noch immer bei ihnen, allerdings hatten sie die Steinschlosspistolen unter ihren Umhängen verschwinden lassen, um nicht die Aufmerksamkeit der Polizei zu wecken.
    »Wie heißt dein Meister?«, erkundigte sich Sarah, während sie den Basar durch das Mehmet-Pascha-Tor verließen.
    »Er hat viele Namen«, antwortete der Junge ausweichend. »So wie die Weisheit selbst auch viele Namen hat. In meinem Land wird sie irfan genannt, in Persien dânâyy, in Hindustan gyana ...«
    »Was du nicht sagst«, entgegnete Sarah säuerlich. »So genau wollte ich es gar nicht wissen.«
    »Haben Sie Geduld, Lady Kincaid«, riet Ufuk. »Sie werden alles erfahren, was Sie zu wissen begehren.«
    »Junge«, erwiderte sie, »du hast keine Ahnung, was ich zu wissen begehre ...«
    Sie verließen die von Läden gesäumte Straße und bogen in eine der weniger frequentierten Gassen des Basarviertels ein. Sarah gab es auf, nach dem Ziel ihres Marsches zu fragen, und auch Friedrich Hingis schien beschlossen zu haben, sich überraschen zu lassen.
    Sehr lange zu warten brauchten sie nicht.
    Nachdem sie einem Gewirr von Gassen gefolgt waren, die immer enger und dunkler geworden waren, erreichten sie einen weiteren Hof, der von hohen Lehmmauern umgeben wurde. Die Stirnseite wurde von einem Gebäude eingenommen, dessen Bauweise der eines traditionellen konak 9 entsprach, mit einem aus Stein gemauerten Erdgeschoss und oberen Stockwerken, die in Fachwerktechnik errichtet waren, mit den charakteristischen schmalen, von hölzernen Läden verschlossenen Fenstern. Das Gebäude jedoch war schmaler als üblich, und statt der gemeinhin verbreiteten drei Etagen hatte es viereinhalb, wenn man die strohgedeckte Dachkuppel mitrechnete, sodass es ein gutes Stück aus dem Meer der umgebenden Häuser ragte.
    »Das Heim meines Meisters«, erklärte Ufuk dazu. »Er nennt es den ›Turm der Weisheit‹.«
    »Darf ich eintreten?«, fragte

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