Das Licht von Shambala
du Gard.
»Eine Landkarte«, erwiderte Sarah, »in der Luft gehalten von magnetischen Kräften.«
»Très bien.« Er nickte. »Aber das ist nicht alles, Lady Kincaid. Es ist auch ein Schlüssel.«
»Was für ein Schlüssel?« Hingis schaute fragend auf.
»Der Schlüssel, der Zugang nach Shambala gewährt«, eröffnete du Gard bereitwillig. »Der die Pforte der Weisheit öffnet und seinem Besitzer das dritte Geheimnis offenbart. Sie wissen doch, was es damit auf sich hat, oder nicht?«
»Wissen Sie es denn?«, fragte Sarah dagegen.
Du Gards Lächeln war ebenso falsch wie breit. »Sie wollen spielen«, stellte er fest und nickte. »Wie Sie möchten. Es ist lange her, dass ich mit einem ebenbürtigen Gegner gespielt habe.«
»Ich spiele nicht«, versicherte Sarah.
»Natürlich nicht.« In den Augen des Franzosen funkelte es listig. »Aber warum, so frage ich mich, sind Sie dann hier? Ich kenne Sie, Lady Kincaid, womöglich besser als Sie sich selbst, und ich weiß, dass Ihre Neugier am Ende siegen wird. Ihr ganzes Leben lang haben Sie darauf gewartet, einen Blick hinter diese Pforte zu tun, und nun wollen Sie mir erzählen, Sie wüssten nicht, worum es dabei ginge?«
»Genau das.« Sarah nickte grimmig.
»Dann will ich es Ihnen sagen, Lady Kincaid. Sagt Ihnen der Name Pandora etwas?«
»Der griechischen Sage nach war Pandora die erste Frau auf Erden«, erwiderte Sarah. »Als Strafe für die Vermessenheit des Prometheus wurde sie von den Göttern des Olymp zu den Menschen geschickt. In ihrem Besitz befand sich ein Behältnis, dessen Inhalt über Wohl oder Wehe der Sterblichen entscheiden konnte - die sogenannte Büchse der Pandora ...«
»Très bien«, lobte du Gard. »Und damit haben Sie genau erfasst, worum es beim dritten Geheimnis der Ersten geht.«
»Wollen Sie damit sagen ...?«
»Das erste Geheimnis war, wie Sie wissen, das Feuer des Re, eine Waffe von größter Zerstörungskraft. Das zweite Geheimnis bestand im Wasser des Lebens, das für die Nachkommen der Ersten die Kraft der Unsterblichkeit barg. Das dritte Geheimnis jedoch ist nicht mehr und nicht weniger als die Büchse der Pandora.«
»Woher wollen Sie das wissen?«, fragte Sarah zweifelnd. »Nicht einmal die Arimaspen wussten, worum es sich dabei handelte.«
»Maurices Mutter hat es mir verraten«, entgegnete du Gard schlicht. »Wie ich schon sagte, war sie mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet. Es war der letzte nützliche Dienst, den sie mir erwies, ehe sie den Verstand verlor. Gleichwohl kostete es mich noch viele Jahre, diesen Ort ausfindig zu machen und seine Geheimnisse zu enträtseln.«
Sarah schluckte sichtbar. Es stimmte - Maurice hatte ihr erzählt, dass seine Mutter, von Visionen verfolgt, in geistiger Umnachtung gestorben war, und er selbst hatte sich stets davor gefürchtet, ebenso zu enden wie sie.
»Im Mythos ist davon die Rede, dass Pandoras Gabe zum Guten wie zum Bösen verwendet werden kann«, warf Friedrich Hingis ein.
»Und genau so ist es«, bestätigte du Gard. »Was auch immer sich dahinter verbirgt, es ermöglicht das Leben ebenso, wie es den Untergang bedeuten kann. Dem Besitzer obliegt es, darüber zu entscheiden - und aus dieser Fähigkeit erwächst grenzenlose Macht.«
»Natürlich.« Sarah nickte. »Und darauf sind Sie aus, nicht wahr? Wenn Sie ernstlich glauben, dass ich Ihnen dabei helfen werde, dann haben Sie den Verstand verloren.«
»Ich habe es Ihnen gesagt, Großmeister«, zischte die Gräfin wie eine Schlange. »Sie würde eher sterben als uns unterstützen.«
»Tatsächlich?« Du Gard schüttelte den Kopf. »Das denke ich nicht. Denn jenseits dieses Schlüssels befindet sich alles, was sie stets erfahren wollte. Sie braucht nur die Hand auszustrecken und danach zu greifen.«
»Nein«, lehnte Sarah entschieden ab. »Ich werde Ihnen nicht dabei helfen, Ihre wahnsinnigen Pläne in die Tat umzusetzen.«
»Es ist Ihre Entscheidung. Aber letztlich muss Ihnen klar sein, dass Sie uns damit nicht aufhalten werden. Die Bruderschaft hat über Jahrtausende hinweg auf ihre Chance gewartet, da kommt es auf einige Monate mehr oder weniger nicht an. Schon in Kürze wird Gräfin Czerny uns eine rechtmäßige Erbin gebären, ein Mädchen, in dessen Adern das Blut der Ersten fließt. Spätestens dann wird sich die Pforte nach Shambala für uns öffnen, ob es Ihnen gefällt oder nicht.«
»Vielleicht«, bemerkte Abramowitsch mit erstaunlicher Gelassenheit. »Vielleicht aber auch nicht.«
»Was soll das
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