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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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zurückgezogen. Das rostige Türblatt schwang knarrend auf. Du Gard stand auf der Schwelle, in seinen schwarzen Umhang gehüllt und den Gehstock in den Händen, dessen Knauf, das bemerkte Sarah erst jetzt, ein Auge darstellte. Bei ihm war auch Ludmilla von Czerny, mit mordlüsternem Blick und zu einem dünnen Strich verkniffenen Lippen.
    Der Anblick ihrer schwangeren Feindin ließ Sarahs Blut einmal mehr in Wallung geraten. Ein Teil von ihr wäre am liebsten aufgesprungen und hätte sich mit bloßen Händen auf die Gräfin gestürzt, aber sie beherrschte sich. Nicht so sehr, weil Hingis' pathetische Ansprache sie überzeugt hatte, sondern weil sie auf eine günstigere Gelegenheit warten wollte. Zwei Zyklopen und fünf schwarz gewandete Ordensschergen warteten auf dem Gang, die Übermacht war zu erdrückend.
    »Ich protestiere entschieden gegen diese Form der Behandlung«, beschwerte sich Abramowitsch, so, wie es Hingis einst bei ihm getan hatte. »Ich bin Offizier seiner Majestät des Zaren und habe eine würdigere Unterbringung als diese verdient!«
    »Finden Sie?« Du Gard bedachte ihn mit einem abschätzigen Blick. »Hauptmann, wollte ich Sie Ihrem Stand entsprechend einquartieren, müsste ich Sie in die Jauchegrube stoßen, damit Sie die Zeit mit Würmern, Ratten und anderem Geschmeiß Ihres Schlages zubringen könnten. Dass es nicht so gekommen ist, haben Sie Lady Kincaid zu verdanken.«
    »Was wollen Sie?«, fragte Sarah unbeeindruckt. »Sich nach unserem Befinden erkundigen? Oder nur an unserem Elend weiden?«
    »Weder noch.« Du Gard schüttelte den Kopf. »Ihr persönliches Elend schert mich nicht, und Ihr Befinden interessiert mich nur, sofern es meine eigenen Interessen tangiert.«
    »Und das ist der Fall?«
    »Möglicherweise. Folgen Sie mir, Lady Kincaid. Ich möchte Ihnen etwas zeigen. Aber ich warne Sie - sollten Sie versuchen, die Gelegenheit zur Flucht zu nutzen oder mich oder meine Leute noch einmal anzugreifen, so wird dies Ihr letzter Fehler sein. Haben Sie mich verstanden?«
    Sarah verzog geringschätzig das Gesicht. »Sie scheinen überzeugt zu sein, dass ich mit Ihnen kommen werde.«
    »Alors, das bin ich in der Tat, denn ich biete Ihnen nicht mehr und nicht weniger als die Antwort auf all Ihre Fragen.«
    Sarah tauschte zuerst mit Hingis, dann mit Abramowitsch einen langen Blick. In den Gesichtern beider konnte sie eine unausgesprochene Aufforderung erkennen.
    »Was ist mit meinen Gefährten? Dürfen sie mitkommen?«
    »Ich bestehe darauf«, entgegnete das Oberhaupt der Bruderschaft mit einem Lächeln, das Sarah erschaudern ließ. Unwillkürlich fragte sie sich, wie jemand, der das Wesen und die Herzenswärme einer Giftnatter hatte, einen Sohn wie Maurice haben konnte. Abgesehen von einer gewissen äußeren Ähnlichkeit, konnte sie keinerlei Übereinstimmung zwischen den beiden erkennen. Maurice hatte stets betont, dass er mehr nach seiner Mutter kam, was offenkundig stimmte.
    Abermals verständigten sich Sarah und ihre Begleiter wortlos. Dann erhoben Sie sich, worauf sofort du Gards Schergen in die Zelle drängten und sie in die Mitte nahmen. Mit blanken Säbeln und vorgehaltenen Pistolen hielten sie sie in Schach.
    Du Gard nickte zufrieden, dann setzte er sich an der Spitze des Zuges in Bewegung. Die Czerny folgte ihm mit unverändert düsterer Miene. Offenbar hatte es zwischen beiden eine Meinungsverschiedenheit bezüglich der Behandlung der Gefangenen gegeben.
    Da Sarah bewusstlos gewesen war, als die Zyklopen sie in ihr Gefängnis geschleppt hatten, sah sie den niederen Korridor zum ersten Mal. In engen Kurven wand er sich hinauf zu der großen, elliptisch geformten Halle, wo die Skulptur über dem Boden schwebte, von einem magnetischen Kraftfeld gehalten.
    Erst jetzt, da sie das Artefakt aus der Nähe sah, fiel Sarah auf, dass ihr die geometrischen Formen, aus denen es sich zusammensetzte, vertraut waren: Das Zentrum bildete ein großer metallener Kegel, der fest auf dem Boden stand; darum herum waren vier Wellenlinien in den Boden eingraviert. Über der Spitze schwebte ein stilisierter Turm, der aus einer schimmernden Röhre bestand, darüber eine Kugel.
    Es war, wie sowohl Sarah als auch Hingis sofort erkannten, eine dreidimensionale Darstellung des Symbols, das sie in Polyphemos' Codicubus gefunden hatten: der Berg mit der Festung und der Sonne darüber, an dem vier Flüsse entsprangen.
    Das Zeichen für den Weltenberg Meru.
    »Ich nehme an, Sie wissen, was das ist?«, erkundigte sich

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