Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. L. Stedman
Vom Netzwerk:
Violet ihre Tochter erschrocken an: Sie hatte sie selten so aufgewühlt erlebt. »Du bist doch gerade erst zurückgekommen.«
    »Ich muss noch einmal weg, Mum. Ich habe etwas zu erledigen.«
    »Aber es regnet wie aus Kübeln. Warte wenigstens, bis es aufhört.« Sie wies auf den Kleiderhaufen, der neben ihr auf dem Boden lag. »Ich habe beschlossen, die Sachen der Jungen auszusortieren. Jemand könnte ihre alten Hemden und Stiefel vielleicht gebrauchen. Deshalb dachte ich, dass ich sie am besten der Kirche spende.« Ihre Stimme begann leicht zu zittern. »Doch es wäre schön, bei dieser Arbeit Gesellschaft zu haben.«
    »Ich muss sofort zur Polizei.«
    »Warum, um alles in der Welt?«
    Isabel betrachtete ihre Mutter und spielte kurz mit dem Gedanken, ihr reinen Wein einzuschenken. »Ich muss mit Mr. Knuckey reden«, erwiderte sie stattdessen nur. »Ich bin bald zurück«, fügte sie hinzu und ging den Flur entlang zur Tür.
    Als sie sie öffnete, stand zu ihrem Erstaunen eine Gestalt vor ihr, die offenbar gerade hatte läuten wollen. Die vom Regen durchweichte Frau war Hannah Roennfeldt. Isabel verschlug es die Sprache.
    Hannah verharrte auf der Schwelle. Sie sprach schnell und hatte dabei den Blick auf die Vase mit Rosen hinter Isabel gerichtet, voller Furcht, sie könnte den Mut verlieren, wenn sie der Frau ins Gesicht sah. »Ich möchte Ihnen etwas sagen – es einfach nur sagen und dann wieder gehen. Bitte stellen Sie mir keine Fragen.« Sie erinnerte sich an den Eid, den sie Gott wenige Stunden zuvor geschworen hatte. Es gab kein Zurück. Sie holte tief Luft, als wäre sie gerannt. »Grace hätte gestern Nacht alles Mögliche zustoßen können, so verzweifelt wollte sie zurück zu Ihnen. Gott sei Dank wurde sie gefunden, bevor ein Unglück geschehen ist.« Sie hob den Kopf. »Können Sie sich vorstellen, wie das ist? Die Tochter, die Sie empfangen, ausgetragen und gestillt haben, nennt eine andere Frau Mutter?« Ihr Blick huschte zur Seite. »Doch ich muss mich damit abfinden, wie weh es auch tut. Ich darf nicht auf Ihre Kosten glücklich werden. Das Baby, das ich geboren habe – Grace –, kommt nicht mehr wieder. Das verstehe ich inzwischen. Die Tatsache ist schlicht und ergreifend, dass sie gut ohne mich leben kann, auch wenn es umgekehrt anders sein mag. Ich darf sie nicht für das bestrafen, was geschehen ist. Und ich darf Sie nicht für die Entscheidungen Ihres Mannes haftbar machen.«
    Isabel wollte protestieren, doch Hannah redete einfach weiter und starrte dabei wieder auf die Rosen. »Ich kannte Frank bis in den tiefsten Winkel seiner Seele. Vielleicht ist Grace mir ja fremd geblieben.« Sie blickte Isabel in die Augen. »Grace liebt Sie. Möglicherweise gehört sie wirklich zu Ihnen.« Mühsam stieß sie die nächsten Worte hervor. »Aber ich muss wissen, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird. Wenn Sie mir jetzt schwören, dass das alles nur das Werk Ihres Mannes war, und zwar bei Ihrem Leben, lasse ich Grace zu Ihnen zurückkehren.«
    Isabel überlegte keine Sekunde, sondern antwortete völlig automatisch. »Ich schwöre.«
    Hannah fuhr fort. »Sobald Sie gegen diesen Mann ausgesagt haben und er hinter Schloss und Riegel sitzt, bekommen Sie Grace wieder.« Sie brach in Tränen aus. »O Gott, steh mir bei!«, schluchzte sie und eilte davon.
    Isabel ist wie vom Donner gerührt. Immer wieder lässt sie das eben Gehörte Revue passieren und fragt sich, ob sie es sich nur eingebildet hat. Doch da sind die nassen Fußabdrücke auf der Veranda und die Spur von Tropfen aus Hannah Roennfeldts zugeklapptem Regenschirm.
    Sie blickt durch die Fliegengittertür, die so nah ist, dass der Blitz aussieht wie in winzige Vierecke unterteilt. Im nächsten Moment grollt der Donner, dass das Haus erbebt.
    »Ich dachte, du wolltest zur Polizei?« Die Frage reißt Isabel jäh aus ihren Grübeleien. Im ersten Moment weiß sie nicht, wo sie ist. Sie dreht sich um und steht vor ihrer Mutter. »Ich dachte, du wärst schon fort. Was ist passiert?«
    »Es blitzt.«
    »Wenigstens hat Lucy jetzt keine Angst.« Isabel ertappt sich bei diesem Gedanken. Von klein auf hat Tom dem Mädchen beigebracht, dass man vor Naturgewalten zwar Respekt haben muss, sie aber nicht zu fürchten braucht – die Blitze, die in den Leuchtturm von Janus einschlagen könnten, und die Ozeane, die sich an der Insel brechen. Sie erinnert sich an die Ehrfurcht, die Lucy im Laternenraum an den Tag gelegt hat. Nie hat sie die Gerätschaften

Weitere Kostenlose Bücher