Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)
Augenblick an, als sie auf Janus angespült wurde, wollte ich nur ihr Bestes. Sie brauchte uns. Und wir haben sie gebraucht.« Sie hielt inne. » Ich habe sie gebraucht. Und als sie einfach aus dem Nichts erschien, war es wie ein Wunder, Ralph. Ich war sicher, dass es ihr bestimmt war, bei uns zu bleiben. Alles war einfach sonnenklar. Ein kleines Baby hatte seine Eltern verloren – und wir gerade ein kleines Baby … Ich habe sie so geliebt.« Sie putzte sich die Nase. »Da draußen … Ralph, du bist einer der wenigen Menschen auf der Welt, die wissen, wie es auf Janus ist. Einer der wenigen, die es sich vorstellen können. Doch selbst du hast nie einem Schiff nachgewinkt, auf dem Bootssteg gestanden und gelauscht, wie das Geräusch des Motors erstarb. Zugesehen, wie das Schiff immer kleiner und kleiner wurde. Du hast nie die Erfahrung gemacht, wie es ist, sich für einige Jahre von der Welt zu verabschieden. Janus war die Wirklichkeit. Lucy war die Wirklichkeit. Alles andere war nur Einbildung. Als wir von Hannah Roennfeldt erfuhren – oh, da war es schon zu spät, Ralph. Ich hatte nicht die Kraft, Lucy wegzugeben. Das konnte ich ihr nicht antun.«
Der alte Mann saß da und atmete langsam und tief durch. Hin und wieder nickte er und unterdrückte das Bedürfnis, ihr eine Frage zu stellen oder ihr zu widersprechen. Schweigen war der beste Weg, um ihr und allen anderen Beteiligten zu helfen.
»Wir waren so eine glückliche Familie. Und dann, als die Polizei auf die Insel kam und ich erfuhr, was Tom angerichtet hatte, gab es plötzlich keine Sicherheit mehr. Nirgendwo war ich sicher. Nicht einmal in mir selbst. Ich war so gekränkt und so wütend. Und ich hatte Angst. Seit der Polizist mir von der Rassel erzählt hat, ergab nichts mehr einen Sinn.« Sie sah ihn an. »Was habe ich getan?« Es war keine rhetorische Frage. Sie suchte nach einem Spiegel. Nach etwas, das ihr zeigte, was sie nicht sehen konnte.
»Ich muss sagen, dass mich das weniger beschäftigt als das Problem, was du jetzt tun willst.«
»Ich kann gar nichts tun. Alles ist fort. Nichts ergibt mehr einen Sinn.«
»Der Mann liebt dich, weißt du das? Das ist doch schon einmal etwas wert.«
»Aber was ist mit Lucy? Sie ist meine Tochter, Ralph.« Sie überlegte, wie sie es erklären sollte. »Kannst du dir vorstellen, von Hilda zu verlangen, dass sie eines ihrer Kinder weggibt?«
»Du hast sie nicht weg- , sondern zurückgegeben , Isabel.«
»Ist Lucy uns nicht geschenkt worden? War es nicht Gottes Wille?«
»Vielleicht wollte er ja, dass ihr für sie sorgt. Das habt ihr getan. Und vielleicht will er jetzt, dass ihr das jemand anderem überlasst.« Er seufzte auf. »Verdammt, ich bin kein Priester. Was weiß ich schon von Gott? Aber eines weiß ich genau: Da ist ein Mann, der bereit ist, alles, wirklich alles, aufzugeben, um dich zu schützen. Findest du das richtig?«
»Du hast doch gesehen, was gestern passiert ist und dass Lucy leidet. Sie braucht mich, Ralph. Wie könnte ich ihr das erklären? Ich kann nicht von ihr erwarten, dass sie das versteht, nicht in diesem Alter.«
»Manchmal stellt das Leben uns auf die Probe, Isabel. Manchmal tut es weh. Und manchmal, wenn man schon glaubt, das Schwerste ausgestanden zu haben, schlägt es sogar noch einmal zu.«
»Ich dachte, ich hätte das alles schon vor Jahren abgebüßt.«
»Du glaubst, dass es jetzt schon schlimm genug ist. Wenn du jetzt den Mund nicht aufmachst und dich für Tom verwendest, wird es noch viel schlimmer kommen. Die Lage ist ernst, Isabel. Lucy ist noch klein. Sie hat Menschen, die sich um sie kümmern und ihr ein schönes Leben ermöglichen wollen. Tom hat niemanden. Mir ist noch nie ein Mensch begegnet, der Leid weniger verdient hat als Tom Sherbourne.«
Unter dem wachsamen Blick der Engel und Heiligen fuhr Ralph fort. »Nur der Himmel weiß, welcher Teufel euch beide da draußen geritten hat. Eine Lüge folgte auf die andere, und das alles nur mit den besten Absichten. Doch jetzt muss endlich Schluss sein. Mit allem, was du für Lucy getan hast, hast du jemandem geschadet. Natürlich verstehe ich, wie schwer es für dich sein muss. Doch dieser Spragg ist ein übler Bursche, dem ich alles zutraue. Tom ist dein Mann, in guten wie in schlechten Tagen, in Gesundheit und Krankheit. Wenn du ihn nicht im Gefängnis sehen willst, oder gar …« Es gelang ihm nicht, den Satz zu beenden. »Ich denke, das ist deine letzte Chance.«
»Wo willst du hin?« Eine Stunde später sah
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