Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)
Stirn runzelte, beobachtete sie eine weiße Schäfchenwolke, die auf die Sonne zusteuerte. »Es ist schwierig, dich kennenzulernen. Manchmal war das Zusammenleben mit dir sehr einsam.«
Er hielt inne. »Was soll ich dazu sagen, Izzy?«
»Ich wollte, dass wir glücklich sind. Wir alle. Lucy ist dir unter die Haut gegangen. Sie hat dein Herz geöffnet, und es war wunderschön, das zu sehen.« Lange herrschte Schweigen, bis sich ihre Miene veränderte, da ihr offenbar etwas eingefallen war. »Die ganze Zeit wusste ich nicht, was du getan hattest. Jedes Mal, wenn du mich angefasst hast, jedes Mal, wenn du … Ich hatte keine Ahnung, dass du mir etwas verheimlichst.«
»Ich habe versucht, mit dir darüber zu reden, Izz. Du hast dich geweigert.«
Sie sprang auf, sodass die Blattstückchen ins Gras trudelten. »Ich wollte dir wehtun, Tom, so, wie du mir wehgetan hast. Ist dir das klar? Ich wollte Rache. Was hast du dazu zu sagen?«
»Das weiß ich, Liebling. Ich weiß. Aber jetzt ist es vorbei.«
»Was, also verzeihst du mir? Einfach so? Als wäre nichts gewesen?«
»Was soll ich sonst tun? Du bist meine Frau, Isabel.«
»Das heißt, du wirst mich sowieso nicht los …«
»Das heißt, dass ich versprochen habe, mein Leben mit dir zu verbringen. Und das möchte ich immer noch, Izz. Ich habe auf die bittere und schmerzhafte Weise gelernt, dass man aufhören muss, die Vergangenheit ändern zu wollen, wenn man eine Zukunft haben will.«
Sie wandte sich ab und zupfte noch ein wenig Geißblatt von der Ranke. »Was sollen wir tun? Wie sollen wir weiterleben? Ich kann dich nicht jeden Tag sehen und dich für das hassen, was du getan hast. Und mich selbst schämen.«
»Nein, Liebling, das kannst du nicht.«
»Alles ist kaputt. Es kann nicht mehr in Ordnung gebracht werden.«
Tom legte eine Hand auf ihre. »Wir werden die Dinge in Ordnung bringen, so gut wir können. Mit der Situation, wie sie jetzt ist, müssen wir einfach leben.«
Isabel schlenderte den Gartenweg entlang und ließ Tom auf der Bank sitzen. Nachdem sie den Rasen einmal umrundet hatte, kehrte sie zurück. »Ich kann nicht weiter in Partageuse leben. Dort gehöre ich nicht mehr hin.« Kopfschüttelnd beobachtete sie, wie die Wolke weiterzog. »Inzwischen weiß ich gar nicht mehr, wo ich hingehöre.«
Tom stand auf und berührte sie am Arm. »Du gehörst zu mir, Izz. Es spielt keine Rolle, wo wir sind.«
»Stimmt das wirklich noch, Tom?«
Geistesabwesend strich sie über den Geißblattzweig in ihrer Hand. Tom pflückte eine der cremefarbenen Blüten ab. »Als Kinder haben wir die gegessen. Du auch?«
»Gegessen?«
Er biss in das schmale Ende der Blüte und saugte das Tröpfchen Nektar heraus. »Man schmeckt es nur für eine Sekunde. Aber das ist es wert.« Er pflückte noch eine und hielt sie ihr an die Lippen, damit sie auch hineinbeißen konnte.
Kapitel 37
Hopetoun, 28. August 1950
In Hopetoun gab es inzwischen nicht mehr viel bis auf den langen Anlegesteg. Er zeugte noch von der Blütezeit der Stadt, einstmals ein für die Goldfelder wichtiger Hafen, der jedoch 1936, kurz nachdem Tom und Isabel hierhergezogen waren, geschlossen worden war. Toms Bruder Cecil hatte seinen Vater nur um wenige Jahre überlebt, und als er starb, reichte das Geld, um eine Farm am Stadtrand zu kaufen. Gemessen an den örtlichen Gepflogenheiten war ihr Besitz nur klein, erstreckte sich aber dennoch einige Kilometer die Küste entlang. Das Haus stand auf einer Klippe ein Stück im Landesinneren und hatte Blick auf den Strand darunter. Sie führten ein zurückgezogenes Leben. Hin und wieder fuhren sie in die Stadt. Sie beschäftigten Farmarbeiter.
Hopetoun, an einer Bucht sechshundert Kilometer von Partageuse entfernt gelegen, war weit weg genug, um nicht zufällig jemandem von dort zu begegnen, und doch so nah, dass Isabels Eltern sie bis zu ihrem Tod zu Weihnachten besuchen konnten. Tom und Ralph schrieben einander gelegentlich – nur ein kurzer, schlichter Gruß, aber dennoch voller Gefühl. Ralphs Tochter und ihre Familie waren nach Hildas Tod in das kleine Häuschen gezogen und sorgten für ihn, weil er in letzter Zeit immer gebrechlicher wurde. Als Bluey Kitty Kelly heiratete, schickten Tom und Isabel zwar ein Geschenk, kamen jedoch nicht zur Hochzeit. Sie setzten beide nie wieder einen Fuß nach Partageuse.
Und so gingen zwanzig Jahre ins Land – wie ein ruhiger Fluss, der sein Bett im Laufe der Zeit verbreitert.
Die Uhr schlägt. Fast Zeit zum Aufbruch.
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