Das Liebesspiel - Tripp, D: Liebesspiel
kommt die State Police und verscheucht ihn, er ist einige Tage verschwunden, dann kehrt er zurück und angelt weiter, bis sie wiederkommen und ihn erneut verscheuchen.
»Du hättest bei mir vorbeischauen können«, sagt Ada.
»Ich wusste nicht, ob du zu Hause bist.«
Sie lächelt. »Na, wo soll ich denn sonst sein?«
Ich schiebe das X beiseite. Und lege mein drittes M in den Winkel zwischen A und U . Doppelter Wortwert in beide Richtungen. Sechzehn Punkte. Am, um. Dann ziehe ich neu.
Ada hat sich nicht gerührt. Das wundert mich. Ich hatte erwartet, dass sie sofort etwas ablegt, hatte das Gefühl, sie hätte ein Ass im Ärmel und da wäre ein Summen, das manchmal bei ihr zu spüren ist. Das ist eigentlich alles, was man bei ihr spüren kann. Dann weiß man, dass sie ein gutes Wort auf der Hand hat und nur auf ihre Gelegenheit wartet.
Doch sie ist sonderbar still. Irgendwas geht ihr durch den Sinn. Ihre Finger trommeln wieder leicht auf den Tisch. Eine Spottdrossel ruft aus dem Wald hinter uns. Ein Wagen fährt auf den Parkplatz des Seniorenzentrums, bis vor die Eingangstreppe. Auf der Beifahrerseite steigt eine Frau mit einem Stock aus. Sie schaut zu uns herüber, zu mir und dem Spiel, und runzelt leicht die Stirn. Als sie sich die Treppe hinaufmüht, klammert sie sich am Geländer fest. Die Tür fällt hinter ihr ins Schloss. Und Ada ist immer noch still.
Als ich heute Morgen die Brücke überquerte, gerade als ich meinen Fuß daraufsetzte, flatterten Tauben von unten auf, ein Geprassel von Flügeln, das mich erschreckte. Ohne es zu wollen, folgte ich ihnen mit meinem Blick, wie sie in die Höhe stiegen, auf ihren Schwingen die Küste entlang. Da sah ich es: das Mädchen von dem Foto, das Mädchen, das ich einst war, ich sah den Widerschein ihres Gesichts vor dem Schatten der Pfeiler und des Geländers, vor der dunklen Silhouette der Brücke im Wasser. Der Wasserstand fiel, der Fluss zerrte an ihrem Haar. Zuerst erkannte ich das Mädchen nicht. Dann tat ich es doch.
Ich habe das Foto bis heute. Einige Jahre nach unserer Hochzeit nahm Carl es mit in die Stadt – in ein Geschäft – und ließ es neu rahmen. Jetzt hängt es im vorderen Zimmer über dem kleinen Tisch, auf den ich die Orchidee gestellt habe, die mir Marne zu meinem Geburtstag im April geschenkt hat.
Die Orchidee war wunderhübsch, als ich sie aus dem Zeitungspapier wickelte, hatte drei Blüten, tiefviolett, ein weißer Fleck in jedem Kelch. Doch sie hatte auf dem kurzen Weg von Marnes Wagen zum Haus Frost abbekommen, und bald darauf fielen die Blüten ab, sodass diese Orchidee jetzt nur noch ein dürrer Zweig ist, ohne Knospen. Ich weiß: Marne möchte, dass ich sie wegwerfe. Typisch Marne. Sie glaubt, die Blume würde sich nicht mehr erholen. Ich lasse sie auf dem kleinen Tisch stehen, weil dort warmes Licht durch das Fenster fällt, unter dem Foto vom Mädchen auf der Brücke. Wenn Marne in dem Zimmer ist, habe ich festgestellt, beachtet sie die Orchidee nicht, oder wenn sie es tut, dann mit demselben Anflug von Härte in den Augen, mit dem sie mich manchmal bedenkt.
Sie haben es hier schwer, in unserem Klima, könnte ich ihr sagen, exotische Wesen.
»Kannst du dich noch an diesen Mann erinnern?«, frage ich Ada jetzt. »An diesen Ingenieur aus der Stadt, der an der neuen Brücke arbeitete? Er war sehr groß und trug diese komische blau getönte Brille. Weißt du noch, der Sommer, als er in Point wohnte, 1962 war das, der Sommer, bevor die alte Brücke abgerissen wurde?«
»Du meinst den Mann mit der Haartolle, der immer so herumstolzierte?«
»Ja, den.«
Sie nickt. »Weiß ich noch.«
Er war nicht aus Westport. Das merkte man auf den ersten Blick – wie er redete, was er anhatte. Damals konnte man so was merken. Damals versuchten die Leute nicht, sich wie die Einheimischen zu kleiden, versuchten nicht, sich anzupassen. Es war auch nicht nur ihre Aufmachung, ihre Sonnenhüte oder die Wale an den Gürteln, oder wie ihre Kinder in kurzen Hosen und Flipflops auf Fahrrädern die Main Road hoch und runter rasten. Es war der gewisse Glanz, der auf ihnen lag. Jeder Einzelne von denen, die von anderswo kamen, schien ihn zu besitzen, diesen städtischen Glanz, und er blieb den Fremden, die in den ersten Sommerwochen angeschwemmt wurden, als es wärmer wurde, die Augen groß, erfüllt vom Fluss und dem salzigen Wind, von all der freien, gedankenlosen Schönheit, die unser Ort für sie darstellte. Wir blieben unter uns. Die anderen waren
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