Das Liebesspiel - Tripp, D: Liebesspiel
Schatten für uns. Sie kamen für ein paar Monate her, dann gingen sie wieder und das Dorf gehörte uns allein, es herrschten wieder Trägheit und Stille, jeder in seinem eigenen Leben vergraben wie Aale im Schlamm. In meiner Kindheit war ich in jedem der Häuser unten in Point. Jetzt gehen Carl und ich über die Main Road, uns kommen Menschen entgegen und niemand weiß, wer wir sind.
Gestern habe ich allerdings über den Brückenbauingenieur nachgedacht, über diese kleinen Fotos, die er machte. In jenem Sommer mietete er Gids Austernhaus, in dem Sommer, als der Highway eröffnet wurde. Weil ich Marne gestern mein Buch herumschleppen sah, jenes alte Buch aus der Bücherei, das ich vor vielen Jahre im Auto meines Vaters auf dem Boden fand. Schon früher in diesem Sommer hatte ich gesehen, wie sie darin herumblätterte, auf diese halbherzige Art, die typisch für sie ist. Das war, als Ray öfter vorbeikam, mehr ihretwegen als wegen Alex. Dann nahm die Sache zwischen ihr und Ray Fahrt auf und das Buch verschwand. Gestern sah ich, dass sie es wieder ausgegraben hatte. Den ganzen Tag schien sie mit der Nase in dem Buch im Haus herumzuhängen.
»Das war ein seltsamer Mensch«, sage ich nun zu Ada. »Dieser Ingenieur aus der Stadt. Anders.«
Ada schüttelt den Kopf, schaut auf das Brett. »Sie sind alle gleich.«
Sie blickt an meiner Schulter vorbei zur Straße, dann huschen ihre Augen wieder zurück zu mir. Ihre Finger berühren einen Stein auf ihrem Bänkchen, zärtlich, den nackten glatten Rand. »Noch etwas«, sagt sie, »wegen dem grauen Pferd. Ich glaube nicht, dass ich das schon mal erzählt habe. Als es alt wurde, hatte es Probleme mit den Beinen, seine Kniegelenke waren geschwollen, irgendeine Entzündung. Es konnte nicht mehr arbeiten, an manchen Tagen kaum gehen. Ich weiß noch, dass mein Pa schließlich eines Morgens zum Frühstück die Treppe runterkam, die Hosenträger über die Schultern zog und sagte, wenn er von der Auktion in Acushnet zurückkäme, würde er das graue Pferd erlösen. An dem Tag begleiteten meine Brüder ihn zu der Auktion – nur meine Mutter und ich waren im Haus. Gegen Mittag, als wir unten die Fenster putzten, hörten wir ein Geräusch. Als ob ein Zug vorbeifahren würde. Wir spürten die Erde durch den Fußboden beben und gingen nach draußen und sahen, dass sich alle Pferde irgendwie befreit hatten, sie hatten das Gatter runtergerissen oder so. Irgendwie waren sie durchgeschlüpft und das graue Pferd trieb die anderen an, von einem Ende des Felds zum anderen. Meine Mutter und ich, wir gingen mit Stricken und Halftern runter, versuchten, sie wieder auf die Weide neben dem Pferdestall zu bekommen, schafften es auch irgendwann, aber sie waren wild an dem Tag, die Pferde, sie stiegen und bockten, richtig widerspenstig. Das graue hatte sie wild gemacht. Schließlich konnten wir sie beruhigen, gaben ihnen Heu und Wasser, und es waren alle da, nur das graue nicht. Wir suchten es überall, selbst auf den unteren Feldern und auf den Wiesen jenseits des Wegs. Wir konnten es nirgends finden. Als mein Pa mit meinen Brüdern nach Hause kam, machten sie sich selbst auf die Suche, durchkämmten die Gegend, und sie entdeckten es unten auf dem untersten Feld, nahe dem Fluss, da sah mein Pa eine Stelle, wo das Gestrüpp niedergetrampelt war, ganz leicht nur. Sie schlugen sich durch und fanden es dort, das graue Pferd. Es hatte sich in eine kleine Senke vorgekämpft, direkt unten am Fluss. Ich weiß noch, dass mein Pa den Kopf schüttelte. Den bewegen wir nicht mehr von der Stelle, sagte er. Der hat seinen Platz gewählt. Das ist der Platz, der es sein soll. Also ging Pa zu Albion Parks oben an der Cornell Road und Albion kam mit seinem Bulldozer runter. Da war das Pferd schon tot und sie häuften Erde darauf, da, wo es lag.«
Ada hält inne. Sie lehnt sich leicht nach links, reckt ihren Rücken. Katzengleich. Dann lächelt sie mich an, ihre Augen nun grün, ein echtes Grün. Hell leuchtet die Sonne darin.
»Und, Janie, so sollte es doch sein, oder?«, sagt sie.
Ich schaue zu ihr auf, verwundert, fast überrascht, dass sie so etwas sagt, doch dann sehe ich den schelmischen Blick in ihren Augen.
Und ich weiß Bescheid. Ich weiß, was jetzt kommt. Ich weiß es, weil sie sich so viel Zeit mit der Geschichte gelassen hat. Als hätte sie alle Zeit der Welt. Ich weiß, was kommt, noch bevor sie anfängt, die Buchstaben vom Bänkchen zu nehmen, noch bevor sie alle sieben
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