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Das Lied der Cheyenne

Das Lied der Cheyenne

Titel: Das Lied der Cheyenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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waren zahlreich, die Shar-ha verhielten sich ruhig, es war schon fast langweilig geworden. Ein großes Fest gab den jungen Kriegern die Gelegenheit, sich auszutoben.
    Büffelhöcker, der zu den reichsten und tapfersten Kriegern der Hügelleute gehörte, hatte vor allem den mittellosen Witwen und Waisen wertvolle Geschenke versprochen. Man sprach davon, dass er sich von einem seiner besten Pferde trennen wollte. Als Anführer der einflussreichen Hundesoldaten blieb ihm keine andere Wahl. Die Hundesoldaten waren der stärkste Kriegerbund des Volkes und wurden als tapfere Polizei und Militärmacht gefürchtet. Sie ritten immer als Erste in einen Kampf und schreckten niemals vor einem Feind zurück. »Ein Hundesoldat hat ein kurzes Leben«, sagten die Hügelleute, und das galt besonders für Büffelhöcker, der diese tollkühnen Krieger anführte.
    Er war ein starker Mann mit einem kantigen Gesicht, das von zahlreichen Narben entstellt wurde. Die Federn in seinem Haar erzählten von mutigen Taten und langen Kriegszügen. Er strotzte vor Gesundheit und hätte seine Kraft gern auf einen Sohn vererbt, aber die Weissagung des Schamanen hatte seine Enttäuschung bei der Geburt vertrieben. Eine Medizinfrau, die das geheime Wissen besaß und die Geschichte des Stammes entscheidend mitbestimmte, war genauso wertvoll. Schon deshalb würde er eines seiner besten Pferde verschenken. Die anderen sollten merken, wie wichtig ihm die Geburt seiner Tochter war. Sie sollten Respekt vor ihr haben und schon jetzt die auserwählte Schamanin in ihr sehen. »Seht sie an«, sagte er zu jedem, der das Baby in der Wiege bewunderte, »eines Tages wird sie die Häuptlinge mit ihrer Weisheit beschämen.«
    Die Hügelleute freuten sich mit ihm, lediglich der alte Sieht-hinter-die-Berge hatte Bedenken. Sein Schutzgeist hatte davon gesprochen, dass die Medizinfrau großen Schaden von ihrem Volk abwenden konnte. Welche Gefahren waren das? War sie stark genug, um gegen die fremden Mächte anzukämpfen? Der Schamane verbrachte auch die folgenden Nächte in den Hügeln und rief nach seinem Schutzgeist, um eine Antwort auf diese Fragen zu bekommen, aber der Büffel ließ sich nicht mehr blicken.
    Seine Gedanken behielt er für sich. Es würden viele Winter vergehen, bis die Hügelleute der Gefahr begegneten, und es hatte keinen Sinn, die anderen schon jetzt zu beunruhigen. Das hatte Zeit, bis die Phase der Prüfungen gekommen war und die Medizinfrau mit ihrem Schutzgeist gesprochen hatte. Vielleicht lebte er dann gar nicht mehr. Nein, solange er die volle Wahrheit nicht wusste, wollte er schweigen. So hatte er es immer gehalten. Im Sommer, als die Sterne vom Himmel gefallen waren, hatte er auch geschwiegen. Die bösen Geister hatten den tsis tsis tas gezürnt und angedroht, das ganze Dorf mit ihrem Sternenregen zu vernichten, aber Sieht-hinter-die-Berge hatte kein Wort gesagt und tagelang in den Hügeln gefastet, bis die Geister ein Einsehen hatten und die Sterne auf die offene Prärie schickten. Aiee, was war das für eine Nacht gewesen! Er war aus den Hügeln gekommen, das Gesicht wie ein Hundesoldat bemalt, und alle hatten geglaubt, er habe die Macht der Sterne erfahren und die andere Seite des Lebens gesehen.
    Während der folgenden Monate gab es keinen Grund zur Besorgnis. Büffelhöckers Tochter entwickelte sich prächtig und wuchs zu einem stattlichen Kind heran. Der Schamane erinnerte sich an die Weissagung seines Schutzgeistes und beobachtete es aufmerksam, aber es gab keinen Unterschied zu anderen Kindern. Weidenfrau sorgte sich rührend um das Mädchen und trug es in weiche Decken gewickelt durch das Dorf, und als es nach drei Monaten in eine Trage gelegt wurde und vor dem Tipi in der Sonne stand, blieben auch die anderen Frauen stehen und bewunderten das Kind, das von den Geistern zur Medizinfrau auserkoren war. Büffelhöcker lief mit vorgereckter Brust durch das Dorf und betonte immer wieder, dass seine Tochter einmal die Geschicke des Volkes lenken würde.
    Das Mädchen war drei Jahre alt, als seine magischen Kräfte zum ersten Mal deutlich wurden. Sieht-hinter-die-Berge waren schon Zweifel gekommen, weil das Kind, das noch keinen Namen hatte, sich kaum von den anderen unterschied. Vielleicht hatte sein Schutzgeist ein anderes Mädchen gemeint? Hatte nicht Scheues Reh nur einen Tag später einer Tochter das Leben geschenkt? Und war nicht einen Mond später wieder ein Mädchen geboren worden? Sieht-hinter-die-Berge betete allein in seiner

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