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Das Lied der Cheyenne

Das Lied der Cheyenne

Titel: Das Lied der Cheyenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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seine Fragen jenseits der großen Felswand auf ihn wartete. Sie ragte wie das Ende der Welt in den Himmel empor, und der Pfad würde durch sie hindurch zum Licht führen.
    Das wusste Sieht-hinter-die-Berge, und seine Ahnung trog ihn nicht. Als jeder andere längst umgekehrt und vor dem unheilvollen Schatten der Felswand zurückgewichen wäre, tat sich eine tunnelartige Öffnung in dem grauen Stein auf. Am Ende des dunklen Ganges flackerte Licht. Er kletterte mit letzter Kraft hindurch und blieb erstaunt stehen.
    Vor ihm erstreckte sich eine sumpfartige Wiese. Nebelfetzen waberten über dem Gras und verbreiteten einen modrigen Geruch. Als der Mond hinter den Wolken hervorkam, erkannte Sieht-hinter-die-Berge einen großen Büffel, der wie ein Schatten aus dem Nebel tauchte. Das mächtige Tier schwebte über dem Boden und hatte anscheinend auf ihn gewartet. Seine Hörner sprühten helle Funken.
    »Du bist gekommen«, sagte der Büffel. Sein Fell leuchtete im Mondschein wie flüssiges Silber. Seine Augen waren rot und erinnerten den Schamanen an einen Traum, den er vor vielen Wintern gehabt hatte. Auch damals war ihm der Büffel erschienen. »Ich bin dein Schutzgeist«, hatte er gesagt, »und ich werde dich rufen, wenn die Geister zu dir sprechen wollen.«
    »Ja, ich bin gekommen«, antwortete Sieht-hinter-die-Berge. Er hatte seinen Schutzgeist erkannt und fürchtete sich nicht. Der Büffel meinte es gut mit ihm. »Was hast du mir zu sagen?«
    Der Büffel bewegte sich langsam. Seine Flanken zitterten, als sei er von weither gekommen, und aus seinem Maul tropfte Schaum. »Nur dies: Es werden seltsame Dinge geschehen im Dorf der Hügelleute. Der Hund wird schnauben wie ein Pferd, und das Pferd wird schreien wie ein Adler. Es wird kalt, wenn die Sonne scheint, und warm, wenn der eisige Wind aus dem Norden kommt. Die Feinde werden eure Krieger verlachen und Angst vor euren Frauen haben.«
    »Du meinst, wir werden alle hohnuhk?«, fragte der Schamane verwundert. Die hohnuhk oder »Gegenteil-Leute« waren eine kleine Gemeinschaft von Männern und Frauen, die große Angst vor Blitz und Donner hatten und immer das Gegenteil von dem taten, was sie gerade beabsichtigten. Sie liefen rückwärts, wenn sie vorwärts gehen wollten, und sie saßen auf dem Rücken und streckten die Beine in die Luft. Ihre Aktionen wurden vom ganzen Stamm belächelt, aber sie genossen großen Respekt, weil sie Kranke heilen konnten.
    Der Büffel bewegte sich träge im Nebel und schnaubte leise. »Nein, die Hügelleute werden keine hohnuhk«, beruhigte er den verstörten Schamanen. »Aber es wird eine Frau kommen, die euer Volk vor großen Gefahren bewahren kann. Nimm dich ihrer an, Sieht-hinter-die-Berge. Sorge für sie, und weihe sie in deine Geheimnisse ein. Nur wenn sie die Geheimnisse kennt, kann sie die tsis tsis tas vor dem Untergang retten.«
    So nannten sich die Hügelleute selber. Der Name, den die anderen Stämme kaum aussprechen konnten, bedeutete »auserwähltes Volk«. Von den weißen Händlern mit den Haaren im Gesicht wurden sie »Cheyenne« genannt, und die Lakota im Norden sagten »sha-hi-yena«, »Volk einer anderen Sprache«.
    »Wie erkenne ich die Frau, mein Geist?«
    »Du wirst sie erkennen.« Mit diesen Worten verschwand der Büffel, der Nebel verzog sich, und aus der sumpfigen Wiese wurde ein geröllübersäter Abhang, der still und verlassen im Mondlicht lag. Ein Bussard stieg aus den Felsen empor und verschwand krächzend zwischen einigen Büschen.
    Sieht-hinter-die-Berge war allein. Als er nach dem Büffelgeist rief, antwortete nur das Echo, das vielfach von den kahlen Felswänden zurückgeworfen wurde. Enttäuscht stieg er über den gewundenen Pfad nach unten. Er hätte gern etwas mehr erfahren über die geheimnisvolle Frau. Wie sah sie aus? Wo kam sie her? Vor welchen Gefahren sollte sie das Volk retten? Warum sollte er sie in die Geheimnisse seiner Kunst einweihen? War sie die neue Medizinfrau? War seine Zeit abgelaufen? Hatten die Geister beschlossen, einer Frau das heilige Bündel zur Aufbewahrung zu geben?
    Noch gab es keine Antworten auf diese Fragen. Sieht-hinter-die-Berge dachte darüber nach, während er zum Dorf zurücklief. Er blieb immer wieder stehen und beschwor die Geister mit seinem Gesang, aber es kam keine Antwort. Sein Schutzgeist hatte ihm alles berichtet. Er hatte gesagt, was gesagt werden sollte, und es blieb dem Schamanen überlassen, sich darauf einen Reim zu machen.
    Sieht-hinter-die-Berge erreichte das

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