Das Lied der roten Erde (German Edition)
einem bläulich-roten Bluterguss umgeben.
»Dr. McIntyre«, sagte er. »Aus Toongabbie. Ist Major Penrith zu sprechen?«
Die Magd nickte, ließ ihn herein und bat ihn, in der großen Eingangshalle zu warten. Wenig später kam sie zurück. »Der Major lässt bitten. Bitte, Sir, die Treppe hinauf und dann rechts.«
Alistair stieg die mit einem Teppich belegten Stufen hinauf und wandte sich nach rechts in einen breiten Flur. Die Dielen quietschen unter seinen Schritten. Von dem Flur gingen einige Räume ab; als er durch eine geöffnete Tür spähte, sah er Bücherregale und einen Schreibtisch, davor einen geschwungenen Stuhl, Sitz und Lehne überzogen mit hellbraunem Leder.
»Nur herein!«, hörte er eine Stimme aus einem Raum weiter vorne.
Alistair trat näher und fand sich in einem Zimmer wieder, in dem Major Penrith offenbar der Leibesertüchtigung nachzugehen pflegte. Bei Alistairs Eintreten stieg der Major von einem mit Leder überzogenen Reitbock herunter; er war nur mit Kniehose, Stiefeln und einem weiten Hemd angetan. Auf seiner hohen Stirn glänzte es feucht, seine Wangen waren gerötet.
»Immer herein, guter Mann!« Der Major griff nach einem Handtuch, trocknete sich Stirn und Hände und schüttelte dann Alistairs Hand mit festem Druck. »Man muss in Form bleiben, sage ich immer. Die Frauen mögen schmale Hüften und stramme Schenkel.«
»Dr. McIntyre«, stellte Alistair sich vor. Er kam sich etwas fehl am Platz vor. »Aus Toongabbie. Ich bin vor einigen Wochen mit der Minerva eingetroffen.«
»Ah, McIntyre.« Der Major schleuderte das Handtuch achtlos in eine Ecke. »Mit der Minerva ? Dann wart Ihr also derjenige, der mir das Sträflingsmädchen streitig gemacht hat?«
»Sir?«
»Auf dem Schiff. Ich denke, es war Eure Frau, die behauptet hat, ältere Rechte an dem Mädchen zu haben.«
»Das tut mir leid, Sir. Davon wusste ich nichts.«
»So, so, davon wusstet Ihr also nichts.« Major Penrith streifte sich sein verschwitztes Hemd über den Kopf und griff nach einem neuen. Er war gut gewachsen, schlank und groß, und sein blondes Haar lichtete sich an Stirn und Schläfen.
»Ihr solltet besser auf Eure Frau achtgeben, McIntyre. Sie scheint mir ein eigensinniges Ding zu sein, das eine strenge Hand braucht.«
»Sir, ich bedauere es außerordentlich, wenn sie Euch verärgert haben sollte …«
Der Major winkte ab und stopfte sich den Hemdsaum in die Hose. »Kommt, lasst uns nach unten in den Salon gehen. Dann reden wir darüber, was Euch zu mir führt.«
Im Salon, einem mit dunklem Holz getäfelten Raum, der nach Leder und Pfeifenrauch roch, riss der Major an einem Klingelzug.
»Setzt Euch. Betty! Wo bleibt die Dirne nur?« Die Magd, die Alistair geöffnet hatte, erschien. Der Bluterguss um ihr Auge verlieh ihr ein erbärmliches Aussehen. »Bring Rum und Gläser. Schnell! Oder hat dir eine Tracht Prügel nicht gereicht?« Betty verschwand eilig, bevor Alistair einwenden konnte, er trinke nicht. »Diesem katholischen Geschmeiß darf man nichts durchgehen lassen! Wisst Ihr, es gibt hier nur zwei Arten von Frauen: die Ehefrauen und die Dirnen. Zu Letzteren zähle ich alle, die nicht rechtmäßig vor der Kirche Englands verheiratet sind. Oder glaubt Ihr etwa, dass ein Katholik jemals ein vollwertiges Mitglied dieser Gemeinschaft werden könnte?«
Alistair wurde einer Antwort enthoben, als Betty mit einem Tablett hereinkam und zwei Gläser sowie eine Flasche Rum auf den Tisch stellte.
»Und an den Dirnen kann man sich schadlos halten«, beendete der Major seine Ausführungen. »So habe ich immer etwas zum Stoßen, wenn es mich zwischen den Beinen juckt. Nicht wahr?« Er versetzte Bettys Hinterteil einen Schlag. Die Magd sah gequält auf, sagte aber nichts. »Und wenn ich ihrer überdrüssig bin, setze ich sie einfach auf die Straße und hole mir die nächste.«
Die Magd entfernte sich. Der Major goss ihnen ein und reichte Alistair ein Glas.
»Danke«, lehnte Alistair ab. »Ich trinke nicht.«
Der Major hob erstaunt eine Braue und musterte ihn aus wässrig blauen Augen. Alistair fühlte sich unbehaglich unter diesem stechenden, wie sezierenden Blick. »In der Tat? Gibt es dafür einen besonderen Grund?«
»Ich verstehe nicht …«
»Wie auch immer. Damit beraubt Ihr Euch allerdings eines der größten Vergnügen, die es für einen Mann hier gibt. Abgesehen natürlich von körperlichen Freuden. Ich kann mir vorstellen, Euer
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