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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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ganz leise. »Heute Nacht«, fuhr er fort, »ist jemand in den Vorratsschuppen eingebrochen. Allein das ist ein schweres Vergehen. Aber der Täter hat auch noch die Hälfte des Rumvorrats auslaufen lassen.« Er blieb stehen und schlug seinen kurzen Schlagstock mehrere Male in seine Handfläche. »Ich verlange sofort zu wissen, wer der Schuldige ist!«  
    Totenstille. Niemand rührte sich. Niemand wagte auch nur, sich zu räuspern oder sich im goldenen Licht der Morgendämmerung den Schlaf aus den Augen zu reiben.  
    Holligan schritt die Reihe erneut ab und blieb dann vor Fitzgerald stehen. Der Hüne überragte ihn um mehr als Haupteslänge.  
    »Du! Vortreten!« Der Oberaufseher deutete mit dem Schlagstock auf ihn. »Du warst es!«  
    Fitzgerald trat einen Schritt vor. »Nein.«  
    »Nein, was?«  
    »Nein, Sir. Ich war es nicht. Ich habe geschlafen.«  
    »Habe ich dich nach deiner Meinung gefragt? Natürlich warst du es! Du bist es immer!«  
    Der Aufseher trat ganz nah an ihn heran, bis er dem Hünen ins Schlüsselbein hätte beißen können. Dann schien ihm der Größenunterschied aufzufallen, und er trat wieder einen Schritt zurück.  
    »Das war einmal zu viel, Fitzgerald. Wilkins, Farelly, dieser Unverbesserliche wird mit hundert Peitschenschlägen bestraft und anschließend nach Norfolk Island gebracht.«  
    Alle Farbe wich aus Fitzgeralds Gesicht. Norfolk Island war etwas, das alle Gefangenen fürchteten. »Hölle ohne Wiederkehr« wurde die Insel im Pazifik genannt. Dorthin verbannte man nur die unverbesserlichen Verbrecher, die dort bei Widerstand mit drakonischen Strafen zu rechnen hatten.  
    Duncan kämpfte mit sich. Hatte er nicht vorgehabt, ein vorbildlicher Häftling zu sein? Aber alles in ihm sträubte sich dagegen, dass jemand zu Unrecht verurteilt wurde. Auch wenn es sich dabei um Fitzgerald handelte. Hieß es nicht: »Wer in Not ist, dem soll geholfen werden«?  
    »Sir!« Er trat einen Schritt vor. »Fitzgerald war es nicht.«  
    Der Hüne drehte überrascht den Kopf zu ihm.  
    Langsam kam der Oberaufseher zu Duncan geschlendert und stellte sich vor ihn, nur einen Fingerbreit von seinem Gesicht entfernt. »Ach, sieh mal einer an. Und wer sagt das?«  
    »Ich, Sir.«  
    Aufseher Wilkins trat an Holligans Seite. »Das ist O’Sullivan, Sir. Einer der Rebellen.«  
    »O’Sullivan, so, so. Dann willst du dich also als Schuldigen bekennen?«  
    In Duncans Eingeweiden wurde es kalt. »Nein, Sir!«  
    »Und wie kommst du dann darauf?«  
    »Ich habe gesehen, wer es war. Und es war nicht Fitzgerald.«  
    »Tatsächlich?« Holligan ging langsam um ihn herum und musterte ihn von oben bis unten. »Hättest du dann vielleicht die Güte, mir den Namen zu verraten?«  
    Duncan spürte sein Herz pochen. Ein Blick aus dem Augenwinkel zeigte ihm, dass Quigley und Walsh blass und starr nach vorne sahen, er konnte Walshs Adamsapfel hüpfen sehen, als dieser schluckte. »Nein, Sir.«  
    »Nein?!« Der Aufseher war stehen geblieben. »Du wagst es, mich mit dieser Behauptung zu belästigen, und dann weigerst du dich, den Namen zu nennen?«  
    Duncan schwieg. Er würde seine Kameraden nicht verraten.  
    »Nun?«  
    Duncan schüttelte den Kopf.  
    Der Oberaufseher drehte sich wütend auf dem Absatz um. »Holt das Dreibein, und dann gebt ihm das Botany-Bay-Dutzend! Das wird ihm seinen Sturkopf schon austreiben.«  
    Die anderen standen stumm dabei, als man ihm das Hemd auszog und ihn, die Arme über dem Kopf, an das hölzerne Dreigestell band. Das hatte er nun von seinem Großmut. Aber es war besser, sich frühzeitig daran zu gewöhnen, schließlich erwartete diese Tortur früher oder später fast jeden. Und Christus war auch gegeißelt worden. Er schloss die Augen und wappnete sich für das berüchtigte Dutzend. Wenn es wenigstens nur zwölf gewesen wären. In Wahrheit bedeutete es fünfundzwanzig Schläge mit der Neunschwänzigen.  
    Schon der erste Hieb brannte wie Feuer, und die nächsten fühlten sich an, als würde man mit einem glühenden Eisen über seine Haut fahren. Er packte die Stricke, die ihn hielten, fester, biss die Zähne zusammen und versuchte, sich auf einen Psalm zu konzentrieren, doch die Worte wollten ihm nicht einfallen. Dann erschien das Bild der jungen Mrs McIntyre vor seinen geschlossenen Lidern, und er hielt sich fest an der Erinnerung an ihre ungewöhnlich hellen, kristallblauen Augen. Augen, so klar und rein wie Quellwasser …  
    Fünfundzwanzig Schläge. Es

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