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Das Lied des Dunklen Engels

Das Lied des Dunklen Engels

Titel: Das Lied des Dunklen Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
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anderen mit aufgerissenen Augen dasaß und seiner Geschichte lauschte.
    »Gott ist mein Zeuge, Meister Fourbour! Ich will Euch damit nicht zu nahe treten«, erklärte Corbett, »der Himmel weiß, warum Amelia Culpeper Euch heiratete. Sie fühlte sich vielleicht von Euch angezogen. Sie wollte möglicherweise auch dem bösartigen Klatsch ihrer Nachbarn in Bishop’s Lynn entgehen oder wußte, daß Father Augustine in Hunstanton war. Was auch immer ihre Gründe waren, sie kam hierher.«
    »Aber sie konnte ihn doch nicht leiden!« rief der Bäcker. »Sie sagte, daß es sie Überwindung koste, in die Kirche zu gehen!«
    »Amelia Culpeper muß eine bemerkenswerte Frau gewesen sein«, sagte Corbett. »Was sie von Father Augustine hielt, war nur gespielt. Erinnert Ihr Euch nicht, daß Ihr mir erzählt habt, daß sie gern ausritt und Spaziergänge machte? Ich bin mir sicher, daß sie dann ihren lange verlorenen Liebhaber traf, Father Augustine eben.«
    »Das kann ich nicht glauben!« flüsterte Fourbour.
    »Das ist die Wahrheit«, sagte Corbett. »Die Liebenden müssen sich mehrere Male getroffen haben. Die Anwesenheit Amelias stellte jedoch eine Bedrohung für alles dar, wofür Father Augustine gearbeitet hatte. Am Abend ihres Todes nahm Amelia das Pferd und ritt aufs Moor, um ihn zu treffen. Father Augustine hatte sie dazu aufgefordert und gewisse Vorbereitungen getroffen. Wie Ihr Euch erinnert, war die Nacht dunkel und stürmisch. Er hatte den Mord genau geplant und das Seil und die Schlinge am Galgen mit Pech geschwärzt, so daß sie nicht zu sehen waren. Sagt mir, Pater, was benutzt Ihr für die Holzkreuze auf dem Friedhof?«
    Der Geistliche lächelte wie ein Fuchs, als würde er sich an einem Geheimnis erfreuen.
    »Das gleiche Pech«, beantwortete Corbett selbst seine Frage, »das Ihr auch für den Galgenstrick verwendet habt.« Er hielt inne und schaute sich um. Father Augustine sah gelassen aus. Seine Art war beherrscht und ruhig, und genau das beunruhigte Corbett. Die anderen, einschließlich Ranulf und Maltote, saßen da wie Kinder, die darauf warten, daß der Märchenonkel mit seiner Geschichte zum Ende kommt.
    »Wir warten«, sagte Father Augustine sanft.
    »Ja, so wie Amelia gewartet haben muß«, fuhr Corbett fort. »Ich vermute, daß Ihr an diesem Abend ganz zärtlich ihr gegenüber wart. Alles war bereit. Die Schlinge hattet Ihr bereits früher am selben Tag mit Pech beschmiert. Ihr hattet vermutlich mit ein paar Zweigen jede Spur Eurer Anwesenheit beseitigt. Dann machtet Ihr Euch auf den Weg, Amelia zu treffen.« Corbett beobachtete den Geistlichen genau. »Ihr gingt zu Fuß. Ihr würdet ebenfalls auf ihrem Pferd reiten — Amelia würde das gefallen, vor Euch auf dem Sattel zu sitzen. Zwei Liebende, die in die Nacht reiten. Ihr würdet sie zu dem Ort bringen, an dem Euer Großvater den Tod gefunden hatte. Amelia kannte alle Geschichten.« Corbett warf einen Blick auf Fourbour. »Daher auch ihre etwas rätselhaften Bemerkungen darüber, daß Hunstanton reicher sei, als das Dorf selbst wisse.«
    Der Bäcker bedeckte sein Gesicht mit den Händen, und Corbett erzählte weiter.
    »Gott allein weiß, was dann passiert ist. Vielleicht seid Ihr noch einen Augenblick stehengeblieben und habt Liebesworte in Amelias Ohr geflüstert? Sie war abgelenkt, freute sich über Eure Worte. Ihr streckt die Hand aus. Faßt nach der Schlinge, legt sie ihr um den Hals und gebt dem Pferd die Sporen. Es war vermutlich alles ganz einfach.«
    Er wandte sich an Selditch. »Ich vermute, daß Amelias Genick gebrochen war?«
    »Das stimmt«, entgegnete Selditch. »Der Kopf baumelte. Die Wirbelsäule muß wie ein dünner Faden gerissen sein.«
    »Vielleicht wehrte sie sich«, erzählte Corbett weiter und versuchte, sich nicht von Fourbour ablenken zu lassen, der von Schluchzen geschüttelt wurde. »Vielleicht kämpfte sie gegen die Schlinge an, aber es war sicher in wenigen Sekunden vorbei. Sie hat eine Schlinge um den Hals, das Pferd, auf dem sie sitzt, läuft davon, sie fällt...« Corbett holte tief Atem. »Ihr durchsucht ihre Brieftasche. Es ist jedoch nichts darin außer einigen parfümierten Beuteln. Diese nehmt ihr an Euch. Ihr reitet bis zum Rand des Dorfes, kommt an ein paar Bauern vorbei. Sie sehen das Pferd des Bäckers und eine Gestalt, die im Damensattel reitet, und denken, es ist Amelia Fourbour. Die Kirche ist übrigens am Rand des Dorfes...« Corbett hielt inne und suchte den Blick Ranulfs aufzufangen, während er

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