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Das Lied des Dunklen Engels

Das Lied des Dunklen Engels

Titel: Das Lied des Dunklen Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
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gleichzeitig im stillen seine Ungeschicktheit verfluchte. Father Augustine war nicht länger der bescheidene Dorfpfarrer, sondern wirkte jetzt außerordentlich bedrohlich. Ob er wohl ein Messer hat? überlegte sich Corbett und erinnerte sich an de Luce, den Stiftsherrn von St.
    Paul’s, der ihm eine Wunde mit dem Messer beigebracht hatte, deren Narbe immer noch deutlich zu sehen war.
    »Am Rande des Dorfes«, fuhr Corbett fort und erhob sich, »stiegt Ihr vom Pferd und verschwandet in Eurer Kirche.« Er ging auf den Geistlichen zu, aber es war bereits zu spät.
    Father Augustine sprang auf und stand schon neben Alice, ehe Corbett noch eine Warnung rufen konnte.
    »Setzt Euch, Pater!« befahl Corbett.
    »Setzt Euch! Setzt Euch!« äffte Father Augustine ihn nach.
    Er hielt den Kopf gesenkt und preßte das Kinn auf die Brust. Catchpole hatte sich von seinem Schreck erholt und wollte sich gerade erheben, aber der Geistliche zog eine Hand unter seinem Umhang hervor und preßte die Spitze seines Dolches an Lady Alices weißen Hals.
    »Bewegt Euch nicht, edle Dame!« murmelte Father Augustine. »Seid nicht dumm!« rief Corbett.
    »Seid nicht dumm!« wiederholte Father Augustine mit spöttischer Stimme. »Du dummer, schweinsgesichtigerTintenpisser! Du kannst diesem Idioten da drüben«, er nickte zu Ranulf hinüber, »sagen, er soll seine Hände auf den Tisch legen. Komm schon!«
    Dann preßte er die Dolchspitze Alice von hinten an den Hals. Ein kleiner Blutstropfen wurde sichtbar. Alice stöhnte auf. Sie versuchte ihren Hals aus seinem Griff zu winden, aber der Geistliche hielt sie fest.
    »Vorsicht, Ranulf!« rief Corbett. »Er würde sie umbringen!«
    »Ja, ich würde sie umbringen!« sagte der Priester und schaute sich suchend um wie ein Tier in der Falle. »Ihr versteht das nicht. Keiner von euch. Der Schatz gehört mir. Er gehört mir seit dem Tag, an dem ich zum ersten Mal von ihm gehört habe. Ich war von ihm besessen. Ich dachte immer, ich könnte ihn vergessen. Deswegen wurde ich auch Priester.« Father Augustine klopfte sich an den Schädel. »Aber die Stimmen wollten nicht verstummen. Die Geister meiner Vorväter, sie redeten und redeten wie eine Melodie, die man nie vergißt. Und ich versuchte doch, sie zu verdrängen.«
    Ranulf bewegte sich, aber sofort preßte der Geistliche Alice den Dolch noch fester an die Kehle.
    »Um Himmels willen!« zischte Gurney und schaute Ranulf finster an.
    Corbett schaute Alice verzweifelt an. Sie war vor Angst grau im Gesicht und nahe daran, in Ohnmacht zu fallen. Eine dünne rote Linie und Blutstropfen, wo die Haut eingeritzt war, wurden sichtbar. Father Augustine sprach jetzt, als würde er mit sich selbst reden.
    »Ich habe es versucht«, murmelte er, »ich habe wirklich versucht, die Stimmen zum Verstummen zu bringen. Ich dachte, die Liebe einer Frau würde mir dabei helfen, aber sie verriet mich, sie wurde schwanger.« Er hob den Kopf und verzog verächtlich die Lippen. »Die dumme Schlampe wollte, daß ich mein Priesteramt aufgebe.« Er sah den unglücklichen Bäcker an. »Ich habe Euch die dumme Kuh gern überlassen!«
    »Ich habe sie geliebt!« flüsterte Fourbour. »Ihr seid ein verderbter, böser Mann! Ich habe sie wirklich geliebt!«
    Corbett zog Fourbour auf den Stuhl zurück und schüttelte den Kopf unauffällig in Richtung von Ranulf und Catchpole, beide warteten nur auf sein Zeichen, einzugreifen. Der Geistliche schaute Selditch an, aber das bebende, schweißüberströmte Gesicht des Arztes deutete darauf hin, daß dieser keine Kämpfernatur war.
    »Laßt die Frau los!« bat Corbett.
    »Oh, das werde ich!« Der Priester lächelte. »Wir werden diesen Raum zusammen verlassen, Corbett. Vielleicht hättet Ihr doch einen Teil des Schatzes verdient gehabt. Vielleicht habt Ihr ja auch sein Versteck gefunden? Aber ich war zuerst dort.« Seine Stimme klang wie die eines verzogenen Kindes. »Ja, ich habe ihn zuerst gefunden. Diese idiotischen, fetten Nonnen! Eines Tages bei der Messe traute ich meinen Augen kaum. Ich stand am Altar und hielt einen Abendmahlskelch aus dem Schatz König Johns in den Händen!« Er sah Corbett mit großen Augen an, als erwarte er dessen Zustimmung. »Da wußte ich, daß die Stimmen recht gehabt hatten. Gott zeigte mir auf seine wunderbare Weise, daß der Schatz wirklich mir gehört. Es juckte mir in den Fingern, den Kelch zu entwenden, und ich fing an, systematisch zu suchen. In den Gräbern und in der Eremitage. Und dann kam dieser

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