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Das Lied des Kolibris

Das Lied des Kolibris

Titel: Das Lied des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Natürlich ließ man ihn keinen Augenblick aus den Augen, und manchmal fiel es den Beobachtern schwer, sich vor unterdrücktem Lachen so ruhig zu verhalten, dass der Schwarze ihre Gegenwart nicht bemerkte. Er stellte sich unglaublich dumm an – jedes Weib war geschickter im Umgang mit der Waffe! Man erlaubte ihm ebenfalls, in einem morschen Einbaum zu rudern. Auch dies wurde für die Beobachter zu einem Ereignis, das ihnen vor Lachen die Tränen in die Augen trieb. Der Kerl schaffte es schon nicht, das Kanu zu besteigen und zu Wasser zu lassen! Mehrmals kippte er es um oder rutschte im Uferschlamm aus. Ach, es war köstlich! Abends wurde vor versammelter Runde zum Besten gegeben, was man tagsüber alles gesehen hatte, und der ganze Stamm geriet vor Begeisterung schier aus dem Häuschen.
    Mbómbo wusste, dass sie über ihn lachten, aber es war ihm gleich. Er war wild entschlossen, sich von den Rückschlägen nicht aufhalten zu lassen und alles zu versuchen, um in der Kürze der Zeit noch so viel wie möglich zu lernen. Es blieben ihm, wenn er den Häuptling richtig verstanden hatte, noch rund zwei Wochen Zeit – der Wettkampf sollte beim nächsten Vollmond stattfinden.
     
    Als der Tag gekommen war, wurde Mbómbo, genau wie die anderen Teilnehmer, mit schwarzer, weißer und roter Farbe angemalt, wobei man das Schwarz der Genipapo-Frucht auf seiner Haut kaum wahrnahm. Das rote Urucum dagegen leuchtete regelrecht, was ihm einen gespenstischen Ausdruck verlieh, und das Weiß des Tabatinga-Lehms stach auf seiner dunklen Haut viel deutlicher hervor als bei den Indiomännern. Zwar erschloss sich Mbómbo nicht die Bedeutung der Muster, mit denen sein Körper und sein Gesicht verziert wurden, doch auf wundersame Art und Weise schienen sie ihm Kräfte zu verleihen, die er zuvor nicht verspürt hatte. So musste es auch seinen Vorfahren in Afrika gegangen sein, die ja ebenfalls Kriegsbemalung auftrugen.
    Es begann mit einer komplizierten Abfolge fremdartiger Tänze und Handlungen, die Mbómbo gleichgültig verfolgte. Er war viel zu konzentriert auf die bevorstehenden Wettkämpfe, als dass er sich länger mit dem Sinn oder Unsinn dieser Rituale hätte beschäftigen wollen.
    Und dann ging es endlich los – ausgerechnet mit dem Kanurennen. Es traten insgesamt um die zwanzig junge Männer an. Sie alle sollten zu einer bestimmten Stelle flussabwärts rudern, von den dort wartenden Wettkampfbeobachtern einen Gegenstand entgegennehmen und sodann wieder flussaufwärts rudern. Mbómbo scheiterte kläglich. Er brauchte viel zu lange, um seinen Einbaum zu Wasser zu lassen, und obwohl er mit aller Kraft ruderte, kamen ihm, als er den Wendepunkt noch lange nicht erreicht hatte, schon die ersten Rivalen entgegen. Als er merkte, dass er nicht die geringste Chance gegen die Indios hatte, die praktisch auf den Kanus aufgewachsen waren, drosselte er sein Tempo. Er kam ohnehin als Letzter an – da musste er nicht noch seine Kräfte vergeuden, die er bei den nachfolgenden Kämpfen bitter nötig hätte.
    Beim Schießen mit Pfeil und Bogen war ihm genauso wenig Glück beschieden. Er fand, dass er seine Sache recht gut machte, wenn man bedachte, dass er noch vor kurzem nicht einmal den breiten Stamm einer Riesenzeder getroffen hätte. Nun aber traf er bei vier von fünf festen Zielen ins Schwarze. An den beweglichen Zielen jedoch scheiterte er. Während die jungen Indios einen Papagei nach dem anderen erlegten, brachte Mbómbo es einzig auf einen kümmerlichen Vogel. Als er damit zum Wettkampfplatz zurückkehrte, wo die Schiedsrichter die Beute begutachteten und die Gewinner ermittelten, lachten alle herzlich über seine Ungeschicklichkeit.
    Mbómbo wurde allmählich wütend. Was ihm hier widerfuhr, war alles andere als gerecht, aber sich über seine mangelnde Erfahrung auch noch lustig zu machen, das grenzte an mutwillige Erniedrigung. Er wusste jedoch, dass er seine Wut im Zaum halten musste. Sie lenkte ihn ab, und wenn er auch nur in einer einzigen Disziplin gewinnen wollte, dann musste er einen kühlen Kopf bewahren und jede noch so kleine Schwäche des Gegners ausnutzen. Er setzte all seine Hoffnungen in den Ringkampf, denn er war nicht nur größer und stärker als die Indios, sondern dank seiner Übung in Capoeira gewiss auch beweglicher. Er würde es diesen Kindsköpfen schon noch zeigen!
    Leider kam es anders, als Mbómbo es vorhergesehen hatte. Beim Ringen unterlag er jedem einzelnen Gegner, sogar dem kleinsten und schwächlichsten

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