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Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Titel: Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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Diese Stege verbanden oft die größeren Straßen miteinander, führten durch enge Häuserschluchten, Hinterhöfe und wilde Gärten, in denen die Bewohner Gemüse oder sogar Tabak anbauten. Es war das bevorzugte Verbindungsnetz des kleinen Mannes. Ein Gewirr, das einst aus Trampelpfaden entstanden war. Kein normaler Bürger - und schon gar kein Adliger - hätte je freiwillig solch einen Steg betreten. Doch heute Nacht war Robert kein Adliger.
    Plötzlich war ein Scheppern zu hören, dann ein gedämpfter Schrei - und was war das? Lachen? Doch von wo diese Geräusche kamen, war kaum auszumachen. Der Nebel verschluckte sie, saugte sie in seinen grauen Bauch, und so schienen sie von überall und nirgends zu kommen. Robert hielt inne, schaute zurück. Er konnte eben noch den schmalen Spalt der Hauswände erkennen, durch den er auf den Steg gelangt war. Jetzt waren es nur noch unterschiedliche Grautöne. Er hielt den Atem an, lauschte. Ein Hund bellte. Ein Rufen, ein zugedonnerter Fensterladen. Vom Hafen, so vermutete er, erklang das tiefe Brummen eines Nebelhorns. Andere, hellere Töne antworteten. Vermutlich hatte vom Ruderboot bis hin zum Kriegsschiff alles gestoppt und Anker geworfen.
    »Schneller, Lord, bevor es zu spät ist.«
    »Einen Moment, Taris.« Robert kniete sich nieder, drückte auf eine Unebenheit im Absatz seines Stiefels. Ein leises Klicken und ein Teil des Absatzes drehte sich nach außen. In einer flachen Mulde verborgen lag darin ein Miniaturlabyrinth, mit einem Splitter Bernstein in seiner Mitte. Robert berührte den Stein mit der Fingerkuppe und flüsterte in seiner eigenen Sprache zwei Sätze, dann schloss er das Labyrinth wieder im Geheimfach ein. Das Ganze wiederholte er mit dem anderen Absatz. Er stand auf und setzte den einen Fuß härter auf, als man es tun würde, wollte man Krach vermeiden. Nichts. Kein Laut. Denn der Schall, den seine Stiefel beim Aufsetzen hätte machen müssen, wurde jetzt von einem zweiten, gegenläufigen Schall vollständig ausgelöscht.
    Robert hastete dem Falken hinterher. Seine Schritte jetzt lautlos wie die einer Katze.
    Wie nützlich diese Entscheidung gewesen war, erkannte Robert, als er eine schmale Brücke mit schweren Bohlen darauf überquerte. Man hätte das Poltern im halben Viertel gehört, ebenso hätten es die drei Rabenmänner vernommen.
    Dann war er jetzt also auch noch zwischen die Fleete geraten. Hier wimmelte es von Lagerhäusern, Werkstätten, Schuppen und illegalen Verstecken. An den Enden dieser Fleete waren große Rondelle ausgehoben worden, damit kleine Boote und Schuten wenden konnten, nachdem sie ihre Fracht geladen oder gelöscht hatten. Es stank nach brackigem Wasser und das Fleet gluckste wie ein Schluckauf.
    Mittlerweile hatte Robert völlig die Orientierung verloren, so musste er sich vollends auf Taris verlassen, der ihn weiter führte. Robert huschte zwischen alten Stützpfählen hindurch, aus den sicher Brennholz gemacht werden sollte, schlüpfte durch zwei weitere Stege, die kurz und noch schmaler waren. Dann öffnete sich ein Rund. Schemenhafte Segel hingen schlaff im Nebel, die Rahen, an denen sie hingen, wirkten wie schwarze Knochen, an denen noch Haut hing. Der Nebel wallte hier, weil unsteter Wind ihn trieb. Es war ein halbmondförmiger Platz, von Schuppen und seeluftzerfressenen Bretterbuden gesäumt und dahinter von hohen Häusern umstanden. Keine Laterne, kein Licht in den Fenstern. Es war totenstill, wären da nicht stöhnende Laute aus einem der schiefen Gebäude gedrungen. Jetzt nahm er auch das schwache, blaue Glimmen einer Pulverlaterne wahr, die hin- und herschwankte.
    »Halt endlich das Licht ruhig, du Arsch.« Es war kaum zu hören, doch der Nebel trug die Worte dennoch zu ihm heran. Robert zog seinen Revolver unter dem Mantel hervor, der Griff erkannte den Besitzer und das fast zarte Zischen der Ventile vermischte sich mit dem Glucksen des Wassers neben ihm. Der Ton eines rohen Schlags drang durch den Dunst. Und ein flehendes Wimmern.
    »Lass mir auch noch was übrig, verdammich.« Die Stimme grinste förmlich beim Sprechen.
    Roberts Herz schlug schneller. Das Gewicht der Waffe strömte in seinen Körper. Er würde nicht dort hineingehen! Es hatte keinen Sinn.
    »Skee!« Er dachte den Namen mehr, als dass er ihn aussprach, oder war es beides? Sofort ballte sich Rauch vor seinem Gesicht zusammen, heller als der Nebel, verwirbelt, aufgeregt.
    »Keine Toten, bitte«, warnte Robert. Auch wenn er spürte, dass sie weit mehr

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