Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell
hörte der Gnom sich selbst sagen. »Jaime und ich ritten von Lennishort zurück, als wir einen Schrei vernahmen, und sie kam auf die Straße gelaufen, zwei Männer auf den Fersen, die ihr Drohungen hinterherschrien. Mein Bruder zog sein Schwert und verfolgte die beiden, während ich abstieg, um das Mädchen zu beschützen. Sie war kaum ein Jahr älter als ich, dunkelhaarig, schlank, mit einem Gesicht, das einem das Herz brechen konnte. Ganz sicher hat es mir das meine gebrochen. Von niedriger Geburt, halb verhungert, ungewaschen … aber wunderschön. Man hatte ihr die Lumpen, die sie trug, halb vom Leib gerissen, und so wärmte ich sie mit meinem Umhang, derweil Jaime die Männer in den Wald jagte. Als er wieder angetrabt kam, hatte ich ihr den Namen und auch eine Geschichte entlockt. Sie war die Tochter eines Kleinbauern, eine Waise, seit ihr Vater am Fieber gestorben war, auf dem Weg nach … nun, im Grunde nirgendwohin.
Jaime war ganz wild darauf, die Männer zu jagen. Es kam nicht oft vor, dass Banditen Reisende so nah bei Casterlystein
überfielen, und er betrachtete das als persönliche Beleidigung. Das Mädchen war so verängstigt, deshalb konnte ich es nicht einfach allein fortschicken und bot daher an, es zum nächsten Wirtshaus zu bringen und zu verköstigen, während mein Bruder nach Casterlystein ritt, um Hilfe zu holen.
Sie war hungriger, als ich für möglich gehalten hätte. Wir aßen zwei ganze Hühner und noch ein wenig vom dritten, und der Wein muss mir zu Kopf gestiegen sein, wie ich fürchte. Bald darauf lag ich mit ihr im Bett. Wenn sie schüchtern war, so war ich noch schüchterner. Ich habe keine Ahnung, wie ich den Mut aufbrachte. Als ich ihr die Unberührtheit nahm, weinte sie, doch hat sie mich später geküsst und ihr kleines Lied gesungen, und am nächsten Morgen war ich verliebt.«
»Du?« Bronns Stimme klang amüsiert.
»Absurd, nicht?« Wieder begann Tyrion, das Lied zu pfeifen. »Ich habe sie geheiratet«, gab er schließlich preis.
»Ein Lennister von Casterlystein, verheiratet mit einer Bauerntochter«, sagte Bronn. »Wie hast du das geschafft?«
»Oh, du würdest staunen, was ein Junge mit ein paar Lügen, fünfzig Silberstücken und einem betrunkenen Septon erreichen kann. Ich habe nicht gewagt, meine Braut mit heim nach Casterlystein zu bringen, deshalb habe ich sie in ihrem eigenen Landhaus untergebracht, und vierzehn Tage lang spielten wir Mann und Frau. Bis dahin war der Septon ausgenüchtert und gestand meinem Hohen Vater die ganze Geschichte.« Überrascht stellte Tyrion fest, wie traurig es ihn stimmte, davon zu erzählen, selbst nach so vielen Jahren noch. Vielleicht war er nur müde. Er setzte sich auf und starrte in die verglimmende Glut und blinzelte ins Licht.
»Er hat das Mädchen fortgeschickt?«
»Nicht nur das«, sagte Tyrion. »Erst holte er die Wahrheit aus meinem Bruder heraus. Du musst wissen, dass das
Mädchen eine Hure war. Jaime hatte die ganze Sache arrangiert, die Straße, die Banditen, einfach alles. Er meinte, es würde Zeit, dass ich die Frauen kennenlernte. Dem Mädchen hat er den doppelten Preis gezahlt, da er wusste, dass es für mich das erste Mal war.
Nachdem Jaime sein Geständnis abgelegt hatte, holte Lord Tywin, um die Lektion komplett zu machen, meine Frau herein und überließ sie seiner Garde. Man hat sie gut bezahlt. Ein Silberstück für jeden Mann, wie viele Huren bekommen schon einen solchen Preis? In der Kaserne setzte er mich in eine Ecke und ließ mich zusehen, und am Ende hatte sie so viel Silber, dass ihr die Münzen durch die Finger glitten und über den Boden rollten, sie …« Der Rauch brannte in seinen Augen. Tyrion räusperte sich und wandte sich vom Feuer ab, um in die Dunkelheit zu blicken. »Lord Tywin ließ mich als Letzten an die Reihe kommen«, fuhr er mit leiser Stimme fort. »Und er gab mir eine Goldmünze, mit der ich sie bezahlen sollte, weil ich ein Lennister und daher mehr wert war.«
Nach einer Weile hörte er wieder dieses Geräusch, das Kratzen von Stahl auf Stein. Bronn schärfte sein Schwert weiter. »Dreizehn oder dreißig oder drei, ich hätte den Mann getötet, der mir so etwas antut.«
Tyrion fuhr herum und sah ihn an. »Du könntest eines Tages Gelegenheit dazu bekommen. Denk daran, was ich dir gesagt habe. Ein Lennister begleicht stets seine Schuld.« Er gähnte. »Ich glaube, ich werde versuchen zu schlafen. Weck mich, bevor wir sterben.«
Er rollte sich in sein Schattenfell und schloss die
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