Das Lied von Eis und Feuer 04 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 04 - A Clash of Kings (Pages 332-728)
Blätter im Wind. Zweige packten seinen Mantel, und über ihm wanden sich dichte Äste ineinander und verbargen die Sterne.
Als er ihn fand, trank der Wolf gerade aus dem Bach. »Geist«, rief Jon, »zu mir. Sofort.« Als der Schattenwolf den Kopf hob, glühten seine Augen rot und unheilvoll, und Wasser rann von seinen Lefzen wie Geifer. In diesem Augenblick hatte er etwas Wildes und Erschreckendes an sich. Dann sprang er an Jon vorbei zwischen den Bäumen hindurch. »Geist, nein, bleib hier«, rief Jon, doch der Wolf achtete nicht auf ihn. Die schlanke weiße Gestalt wurde von der Dunkelheit verschluckt, und Jon hatte nur zwei Möglichkeiten – entweder stieg er den Hügel wieder hinauf und zwar allein, oder er folgte dem Wolf.
Wütend rannte er hinter dem Tier her und hielt die Fackel
tief und weit nach vorn, weil er bei jedem Schritt über Steine oder dicke Wurzeln oder in knöcheltiefe Löcher zu stolpern drohte. Alle paar Meter rief er erneut nach Geist, doch der Nachtwind strich durch die Bäume und übertönte seine Stimme. Das ist doch verrückt, dachte er und drang dann doch weiter in den Wald vor. Gerade wollte er umkehren, da entdeckte er vor sich, rechts in Richtung Hügel, einen weißen Schemen. Er lief wieder los und fluchte vor sich hin.
So jagte er den Wolf fast um ein Viertel der Faust herum, bis er ihn erneut aus den Augen verloren hatte. Endlich blieb er inmitten der Sträucher, Dornenbüsche und Felsen am Fuß des Hügels stehen, um wieder zu Atem zu gelangen. Jenseits des Fackelscheins drängte sich die Finsternis heran.
Auf ein leises Scharren hin drehte er sich um. Jon bewegte sich auf das Geräusch zu und schlich vorsichtig durch Steine und Dornensträucher. Hinter einem umgestürzten Baum fand er Geist. Der Schattenwolf grub wie wild im Boden und warf mit den Pfoten Erde nach hinten.
»Was hast du da gefunden?« Jon senkte die Fackel und entdeckte einen runden Hügel aus weicher Erde. Ein Grab, dachte er, aber wessen Grab?
Er kniete sich hin und bohrte die Fackel neben sich in den Boden. Die Erde war locker und sandig. Mit den Händen wühlte er sie zur Seite. Keine Wurzel und kein Stein behinderten ihn. Was immer dort lag, es war erst vor kurzem vergraben worden. In etwas mehr als einem halben Meter Tiefe stieß er auf Stoff. Er hatte einen Leichnam erwartet, einen Leichnam gefürchtet, doch das hier war etwas anderes. Er drückte gegen den Stoff und ertastete kleine, harte Gegenstände, die nicht nachgaben. Auch stank es nicht nach Verwesung, und Grabwürmer waren auch nicht zu sehen. Geist wich zurück, hockte sich auf die Hinterläufe und beobachtete ihn.
Jon fegte die lockere Erde fort und enthüllte ein rundes Bündel, das vielleicht einen halben Meter Durchmesser hatte.
Er stieß die Finger unter die Kanten und zerrte daran. Als er es losbekam, bewegte sich der Inhalt und klirrte. Ein Schatz, schoss es ihm durch den Kopf, doch die Form der Gegenstände ähnelte nicht der von Münzen, und nach Metall hatte es auch nicht geklungen .
Das Bündel war mit einem zerfaserten Stück Seil zusammengebunden. Jon zog seinen Dolch und schnitt es durch, packte die Ränder des Stoffes und zog sie auseinander. Das Bündel stülpte sich um, und der Inhalt fiel düster glitzernd auf den Boden. Es waren ein Dutzend Messer, blattförmige Speerspitzen und etliche Pfeilspitzen. Jon hob eine der Dolchklingen auf, federleicht, glänzend schwarz und ohne Griff. Das Fackellicht fiel auf die Schneide, eine dünne orangefarbene Linie, die die Schärfe eines Rasiermessers versprach. Drachenglas. Die Maester nennen es Obsidian. Hatte Geist ein uraltes Waffenversteck der Kinder des Waldes entdeckt, das hier seit Tausenden von Jahren verborgen lag? Die Faust der Ersten Menschen war ein alter Ort, nur …
Unter dem Drachenglas lag ein altes Kriegshorn, das aus dem Horn eines Auerochsen gefertigt und mit Bronzebändern verstärkt war. Jon schüttelte die Erde heraus, und eine Anzahl Pfeilspitzen kam zum Vorschein. Er ließ sie zu Boden fallen und griff nach dem Stoff, in den die Waffen eingewickelt gewesen waren. Gute Wolle, dick, doppelt gewebt, feucht, aber nicht verrottet. Lange konnte das nicht im Boden gelegen haben. Und das Gewebe war dunkel. Er hielt den Stoff näher an die Fackel. Nicht dunkel. Schwarz.
Noch bevor Jon aufstand und ihn ausschüttelte, wusste er, was er in den Händen hielt: den schwarzen Umhang eines Bruders der Nachtwache.
BRAN
Bierbauch fand ihn in der Schmiede, wo er die Balgen
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