Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell
der Pfahlbaumann Howland Reet; Lord Dustin auf seinem großen, roten Hengst. Ned hatte ihre Gesichter so gut gekannt, wie er einst sein eigenes gekannt hatte, doch die Jahre saugen das Blut aus den Erinnerungen eines Mannes, selbst aus solchen, die er geschworen hat, niemals zu vergessen. Im Traum waren sie nur Schatten, graue Geister auf Pferden, die aus bloßem Dunst bestanden.
Sie waren zu siebt und standen dreien gegenüber. Im Traum, ganz wie es im Leben gewesen war. Doch waren diese keine gewöhnlichen drei. Sie warteten vor dem runden Turm, die roten Berge von Dorne im Rücken, die weißen Umhänge flatterten im Wind. Und diese waren keine Schatten, ihre Gesichter strahlten hell, selbst jetzt noch. Ser Arthur Dayne, das Schwert des Morgens, trug ein trauriges Lächeln auf den Lippen. Das Heft des Großschwertes Dämmerung ragte über seiner rechten Schulter auf. Ser Oswell Whent kniete am Boden, schärfte seine Klinge mit einem Wetzstein. Über seinem weiß emaillierten Helm breitete die schwarze Fledermaus seiner Familie die Flügel aus. Zwischen ihnen stand der grimmige alte Ser Gerold Hohenturm, der Weiße Bulle, Kommandant der Königsgarde.
»Ich habe Euch am Trident gesucht«, sagte Ned zu ihnen.
»Wir waren nicht dort«, antwortete Ser Oswell.
»Wehe dem Usurpator, wenn wir es gewesen wären«, sagte Ser Oswell.
»Als Königsmund fiel, hat Ser Jaime Euren König mit einem goldenen Schwert erschlagen, und ich habe mich gefragt, wo Ihr wart.«
»Weit fort«, sagte Ser Gerold, »sonst würde Aerys noch auf dem Eisernen Thron sitzen und Euer falscher Bruder in den sieben Höllen brennen.«
»Ich kam von Sturmkap herab, um die Belagerung aufzuheben«, erklärte Ned ihnen, »und die Lords Tyrell und Rothweyn neigten ihre Banner zum Gruße, und all ihre Ritter fielen auf die Knie, um uns Treue zu schwören. Ich war mir sicher, Ihr würdet unter Ihnen sein.«
»Unsere Knie beugen sich nicht so leicht«, sagte Ser Arthur Dayne.
»Ser Willem Darry ist nach Drachenstein geflohen, mit Eurer Königin und Prinz Viserys. Ich dachte, Ihr wäret vielleicht mit ihnen gesegelt.«
»Ser Willem ist ein guter und wahrer Mann«, sagte Ser Oswell.
»Doch nicht von der Königsgarde«, hob Ser Gerald hervor. »Die Königsgarde flieht nicht.«
»Damals wie heute«, sagte Ser Arthur. Er setzte seinen Helm auf.
»Wir haben einen Eid abgelegt«, erklärte der alte Ser Gerold.
Neds Geister traten neben ihn, mit Schattenschwertern in Händen. Sie waren sieben gegen drei.
»Und hier beginnt es«, sagte Ser Arthur Dayne, das Schwert des Morgens. Er zog Dämmerung aus der Scheide und hielt es mit beiden Händen. Die Klinge war fahl wie Milchglas, wie lebendig im Licht.
»Nein«, sagte Ned mit Trauer in der Stimme. »Hier endet
es.« Als sie in einem Rausch von Stahl und Schatten aufeinanderstießen, hörte er Lyanna schreien. »Eddard!« , rief sie. Ein Sturm aus Rosenblättern wehte über einen blutdurchstreiften Himmel, blau wie die Augen des Todes.
»Lord Eddard«, rief Lyanna erneut.
»Ich verspreche es«, flüsterte er, »Lya, ich verspreche es …«
»Lord Eddard«, hallte die Stimme eines Mannes aus dem Dunkel.
Stöhnend schlug Eddard Stark die Augen auf. Mondlicht fiel durch die hohen Fenster in den Turm der Hand.
»Lord Eddard?« Ein Schatten beugte sich über das Bett.
»Wie … wie lange?« Die Decken waren zerwühlt, sein Bein war geschient und eingegipst. Dumpf pulsierender Schmerz fuhr ihm durch die Seite.
»Sechs Tage und sieben Nächte.« Die Stimme gehörte Vayon Pool. Der Haushofmeister hielt einen Becher an Neds Lippen. »Trinkt, Mylord.«
»Was …?«
»Nur Wasser. Maester Pycelle sagte, Ihr würdet Durst haben. «
Ned trank. Seine Lippen waren ausgetrocknet und gesprungen. Das Wasser schmeckte süß wie Honig.
»Der König hat Befehl gegeben«, erklärte ihm Vayon Pool, als der Becher leer war. »Er will Euch sprechen, Mylord.«
»Morgen«, sagte Ned. »Wenn ich bei Kräften bin.« Er konnte jetzt nicht mit Robert sprechen. Der Traum hatte ihn schwach wie ein Kätzchen zurückgelassen.
»Mylord«, sagte Pool, »er hat befohlen, Euch im selben Augenblick zu ihm zu schicken, in dem Ihr die Augen aufschlagt. « Der Haushofmeister zündete eilig eine Kerze neben dem Bett an.
Ned stieß einen leisen Fluch aus. Robert war nie für seine Geduld bekannt gewesen. »Sagt ihm, ich sei zu schwach, um zu ihm zu kommen. Wenn er mich zu sprechen wünscht, will ich ihn gern hier empfangen. Ich hoffe,
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