Der Geheimtip
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Die abgefertigten Passagiere des Lufthansafluges 736 via Frankfurt nach Lissabon werden zum Flugsteig 4 gebeten«, röchelte ein verschnupfter Engel über die Lautsprecher des Flughafens Köln/Bonn.
Egon Meier umklammerte den Griff des Musterkoffers noch fester und überzeugte sich zum zehntenmal, daß die Bordkarte wirklich in seiner Brusttasche steckte.
Es war der erste Flug seines Lebens und auch der erste Start ins Ausland, abgesehen von einem kurzen Betriebsausflug ins Elsaß vor fünf Jahren. Fliegen fand er nicht normal, sonst hätte der Mensch doch wohl gleich Flügel mitbekommen. Ihm gefiel die Pension in Scharbeutz, in die er in jedem Sommerurlaub mit dem Auto fuhr. Da waren die Eier frisch, und die Leute sprachen deutsch.
Außerdem wollte er Alma Auslandsstrapazen nicht zumuten. Sie war sensibel und in fremder Umgebung sehr ängstlich, und im Flugzeug hätte sie sich bestimmt gefürchtet.
Egon Meier seufzte. Nun hatte er seine Alma ganz allein bei Fräulein Buttrich zurücklassen müssen. Die hatte zwar versichert, sie könne hervorragend mit sensiblen und ängstlichen Rauhhaardackeln umgehen. Aber wußte man's?
Später, in der Maschine, saß Egon am Fenster neben der linken Tragfläche mit Blick auf das Schildchen ›Notausstieg‹. Alle anderen Passagiere sahen aus, als flögen sie täglich. Als die hübschen Stewardessen sich zur Belehrung der Passagiere Schwimmwesten überstreiften und Sauerstoffmasken aufs Make-up drückten, wobei eine freundliche Stimme empfahl, man solle im Ernstfall ruhig und gleichmäßig atmen, guckten die meisten Leute gar nicht hin. Sie lasen oder blätterten im Bordmagazin.
Niemand schien auch zu bemerken, was Egon Meier deutlich hörte: daß nämlich die Motoren kurz nach dem Start ganz sonderbare, blubbernde Geräusche von sich gaben.
Egon verkrampfte die Hände ineinander. Eine niedliche Stewardeß kam den Gang entlang und lächelte sonnig in die Gegend. Vielleicht war ja gar nichts kaputt? Sonst würde sie doch nicht so entspannt wirken?
Egon drückte die Füße fest gegen den Musterkoffer. Keiner hier ahnte, welchen Wert dieses braune Köfferchen unter dem Sitz seines Vordermannes darstellte. In Gedanken ging er noch einmal seinen Auftrag durch.
Oberbuchhalter Egon Meier vor der Wende seines Lebens! Zum erstenmal war er mit einer hochbrisanten Aktion betreut worden. Gestern noch stille und monotone Pflichterfüllung am Schreibtisch, mit Knulle als Gegenüber, der sich das Rauchen immer noch nicht abgewöhnt hatte. Heute die große, weite Welt und die Aussicht auf Beförderung und Gehaltserhöhung. So konnte das Leben also auch sein.
Es war erst gestern gewesen, als die Buttrich ihn telefonisch verständigt hatte: »Der Chef erwartet Sie. Sofort.«
Ein hohes, langgestrecktes Gebäude von einfachem Zuschnitt. In grünen Leuchtbuchstaben an der Front der Name der Firma: SCHRAUFA GmbH. Vorne Rasen, dahinter Fertigungsgebäude und Parkplatz. Alles funktional und sachlich. Nur über der Eingangstür verblüffte den Besucher ein Fries, auf dem sich einige Nackte tummelten. Der Gründer der ›Schraufa‹ hatte humanistische Bildung und eine Vorliebe für alles Griechische gehabt.
Im zweiten Stock ein großer Raum mit riesigem Fenster, Grobtüllgardinen, mächtiger Schreibtisch in schwarzer Eiche, im rechten Winkel zum Fenster so aufgestellt, daß der Besucher einen eindrucksvollen Anmarschweg von der Tür bis zu dem mickrigen Stuhl hatte, den der Mann hinter dem Bollwerk mit der Saffian-Schreibunterlage und den Knöpfchentelefonen ihm anwies.
Dicker Mann, leicht asthmatisch, rötlich rundes Gesicht mit hellen Augen und vollen Lippen, zwischen denen meistens eine erkaltete Zigarre hing. Auf Unternehmertagungen wirkte Ewald Pettenkamps rundliche Erscheinung zwischen den diätkontrollierten Hometrainer-Figuren der Manager von Großbetrieben meist etwas altmodisch. Aber der Mann war keineswegs von gestern. Er hatte sein mittleres Unternehmen straff und modern organisiert. Hundertzweiunddreißig Mitarbeiter. Jahresumsatz gute zwölf Millionen Mark. Das ursprüngliche Konzept der Firma – denn ›Schraufa‹ bedeutete schlicht Schraubenzieherfabrik – hatte er längst geändert. Mittelbetriebe mußten Marktlücken entdecken und ausfüllen, die für die großen Konzerne nicht interessant und zu pusselig waren. Seine kleine Forschungs- und Entwicklungsabteilung verschlang jährlich sechs Prozent des Umsatzes, aber sie rentierte sich schon jetzt und würde sich sehr
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